Frankreichs Präsidentschaftskandidaten profilieren sich: Klare Positionen und Zündstoff

Bei ihrem ersten TV-Duell sind die fünf Favoriten fordernd und provozierend in die Debatte gestiegen. Vor allem der unabhängige Kandidat Emmanuel Macron wurde angegriffen. Der 39-Jährige visiert die politische Mitte an. Verbale Angriffe und Unterstellungen kamen deshalb von seinen linken als auch rechten Gegenspielern. Der Schlagabtausch zwischen Marine Le Pen, der Chefin der rechtsextremen Front National, und Macron war besonders scharf. Denn Umfragen sagen dem Parteilosen bislang in der Stichwahl am 7. Mai gegen die Rechtspopulistin bislang einen Sieg voraus. 

Wie überzeugend waren die Favoriten?

Der Favorit Macron zeigte sich etwas angespannt und hölzern zu Beginn, wurde dann aber vor allem in der Auseinandersetzung mit Le Pen immer kämpferischer, der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon gab mit weit ausholenden Gesten den Volkstribun und sorgte mit Witz und Ironie für die meisten Lacher im Publikum, François Fillon gab sich gelassen und staatsmännisch, als hätte es die vielen Affären um ihn in den letzten Wochen nicht gegeben. Le Pen wurde im Verlauf der Debatte immer heftiger und legte sich mit allen Kandidaten an. Enttäuschend war Benoît Hamon, der Kandidat der Sozialisten und auch der französischen Grünen, der eher nüchtern und sehr detaillreich sein Programm darlegte. 

Laut einer Blitzumfrage kurz nach dem Duell war Macron für 29 Prozent der Zuschauer am überzeugendsten, gefolgt von dem Linkspolitiker Mélenchon, der Rechtspopulistin Le Pen, dem Konservativen Fillon und dem Sozialisten Hamon mit 11 Prozent. Die TV Debatte verfolgten etwa 10 Millionen Zuschauer, rund 47 Millionen Franzosen können am 23. April und 7. Mai wählen. Über die Hälfte sind noch unentschieden, deshalb kommen den TV-Debatten in diesem Wahlkampf eine besondere Bedeutung zu. 

Welche Themen sorgten für Zündstoff?

Die erste der drei TV-Debatten, die sich die Kandidaten bis zum ersten Wahlgang noch liefern werden, rückte vor allem eines in den Vordergrund: Angesichts der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme klaffen die Lösungen weit auseinander. Für Zündstoff sorgten vor allem die Themen Wirtschaftswachstum und Kaufkraft, Laizität, Einwanderung, Sicherheit und Atomenergie. 

Nur äußerlich gab es zumindest bei drei Kandidaten eine enge Übereinstimmung: Sie kamen in ähnlichen blauen Anzügen, nur der Linkspartei-Chef Mélenchon stach mit schwarzer Jacke und roter Krawatte hervor. Der Debatten-Raum war als Arena aufgebaut: Die Kandidaten und eine Kandidatin standen hinter ausladenden Pulten im Kreis, hinter ihnen saßen jeweils Unterstützer. Befragt wurden sie von zwei Journalisten. Dabei kam es bei folgenden Themen zu Affronts:  

Wirtschaftswachstum und Kaufkraft

Die Rechtspopulistin Le Pen hat selten öffentlich so heftig gegen Europa gehetzt. Sie vertritt einen Wirtschaftsprotektionismus und macht für die Arbeitslosigkeit Europa verantwortlich. «Die Europäische Union verbiete alles. Sie bestraft und maßregelt uns permanent», wetterte die Rechtspopulistin. Sie wolle die wirkliche Präsidentin von Frankreich werden, das seine eigenen Interessen vertritt und nicht nur Verwalterin einer ungefähren EU-Region sein. Le Pen will ein Referendum über den EU-Austritt. Mit Blick auf den sozialliberalen und proeuropäischen Macron, der in Berlin von der Bundeskanzlerin Merkel empfangen wurde, sagte sie, dass sie nicht dem Diktat der Märkte und Frau Merkel folgen werde. Sie habe nicht vor, Merkels Stellvertreterin zu werden. 

«Man verlässt nicht die europäische Währung (…) und den Schutz der Europäischen Zentralbank», konterte Fillon. Der Konservative warnte vor einem Abenteuer, das Kreditnehmer und Sparer in den Ruinen treiben werde und nannte Le Pen einen «Serienkiller der Kaufkraft der Franzosen». Macron schloss sich der Kritik des Ex-Premiers an.

Laizität

In der Frage um das Verbot religiöser Symbole gerieten vor allem Macron und Le Pen aneinander. Sie unterstellte ihm, er wurde nicht genug gegen eine von ihr behauptete «zunehmende Islamisierung» der Gesellschaft tun. Als die Rechtspopulistin  sagte, Macron würde das Tragen des Burkinis, die islamische Ganzkörperbekleidung, unterstützen,  entgegnete er ihr scharf und bestimmt, sie würde vor allem versuchen, die Gesellschaft zu spalten. Er warnte sie davor, aus den vier Millionen Französinnen und Franzosen mit muslimischem Glauben Feinde der Republik zu machen. Nach dem Terror-Anschlag in Nizza am 14. Juli mit 86 Toten hatten einige Bürgermeister den Burkini an Stränden in Südfrankreich verboten. Das war kurz darauf vom Verfassungsrat Frankreichs als unvereinbar mit den Grundsätzen der Republik verworfen worden. Im Namen der Frauenrechte und der Laizität sprach sich Le Pen zudem für ein Kopftuchverbot nicht nur in der Schule aus, sondern auch am Arbeitsplatz und im öffentlichen Raum.

Einwanderung

Während Le Pen die illegale und legale Immigration stoppen will, hält der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon eine Begrenzung für unmenschlich und nicht umsetzbar. «Die Leute gehen nicht aus Vergnügen in die Immigration. Das ist ein erzwungenes Exil», sagte Mélenchon. Fillon fordert eine Quotenregelung für Einwanderer, die jedoch nicht für Asylbewerber gelten soll. Der sozialistischen Bewerber Hamon  hielt nüchtern dagegen: «Der Anteil der Ausländer in Frankreich ist seit den 1930er Jahren stabil.» 

Sicherheit

Im Kampf gegen die Kriminalität will Le Pen in den kommenden fünf Jahren 40 000 neue Gefängnisplätze schaffen. Für den konservativen Aspiranten Fillon ein Versprechen, das angesichts der angespannten Haushaltslage nicht realistisch sei. In seinem Programm sieht Fillon 16 000 Plätze vor, sowie das Einführen eines biometrischen Ausweises. Zudem will er eine Strafmündigkeit für Jugendliche ab 16 Jahren. 

Atomkraft

Wie erwartet, tauchten große Divergenzen zur Frage über Atomenergie auf. Hamon will den Ausstieg und massiv in erneuerbare Energien investieren, Fillon hingegen will Wirtschaft und Ökologie miteinander aussöhnen. «Wir haben eine moderne und sichere Atomenergie», behauptete der Konservative. Woraufhin Mélenchon konterte, dass es völlig unrealistisch sei, so zu machen, als gäbe es keine Probleme. Eine Reihe von Atomkraftwerken müssten abgestellt werden. «Sie zu reparieren und wieder ans Netz zu bringen wird 100 Milliarden kosten. Ich bevorzuge, 50 Milliarden in die Entwicklung erneuerbarer Energieträger zu stecken», versprach er.

Macron lehnt den harten Ausstieg ab, will jedoch die Abhängigkeit von der Atomenergie reduzieren. Er will die Steuersätze für Diesel und Benzin angleichen und eine Prämie für den Kauf umweltfreundlicher Autos einführen. Le Pen hingegen will an den günstigeren Diesel-Preisen festhalten. Man habe sozial schwächer gestellte Familien dazu gedrängt, Diesel zu kaufen. Jetzt verlange man von ihnen, dass sie etwas anderes kaufen sollen.

Thema Europa glänzte durch Abwesenheit

Die TV-Debatte hat ausreichend Raum zur Profilierung geboten. In dreieinhalb Stunden wurden zehn verschiedene Themen behandelt, nur das im Wahlkampf zentrale Thema Europa nicht. Als es um Außen- und Sicherheitspolitik ging, hob der frühere Wirtschaftsminister die Bedeutung eines gemeinsamen Europas zur Gestaltung der internationalen Beziehungen hervor. Ansonsten nutzte vor allem Le Pen jede Gelegenheit, um gegen Europa zu wettern. Bei der Debatte der Außenpolitik kam es auch zu einer merkwürdigen Allianz zwischen dem Linkspolitiker Mélenchon sowie dem konservativen Kandidaten Fillon. Mélenchon forderte eine «Friedenskonferenz» für ganz Europa einschließlich Russland, um über die «Grenzen» zu reden. Fillon pflichtete ihm bei und verwies auf das Selbstbestimmungsrecht von Völkern. Da stießen zwei große Putin-Freunde zusammen. Hamon, der Kandidat der Sozialisten, hielt entschieden dagegen. 

Bei den Schlussstatements hatte Macron das letzte Wort und nutzte es geschickt, um sich als versöhnlicher Kandidat der Mitte zu präsentieren.

Bei der Präsidentschaftswahl treten elf Kandidaten an. Eingeladen wurden aber nur die in Meinungsumfragen fünf Bestplatzierten, was für Kritik sorgte. Bei der nächsten TV-Debatte am 4. April sollen alle Elysée-Anwärter zu Wort kommen.