Islamistischer Terror ohne Ende?

Die Debatte

Frankreich ist zum Schauplatz islamistischen Terrors geworden. Wieder einmal. Nachdem zum Auftakt des Prozesses gegen die Unterstützer der Attentäter von 2015 die Mohammed-Karikaturen von Charlie Hebdo erneut veröffentlicht werden, greifen Fanatiker zum Messer. Wieso? Die Ursachen für diese Spirale der Gewalt sind komplex, hängen jedoch auch zusammen mit den Prinzipien der Republik, die aus Frankreichs Geschichte resultieren.

Paris

Im Jahr 1905, als die Trennung zwischen Staat und Kirche beschlossen wurde, etablieren sich drei Prinzipien im Staat, die auch in der heutigen, der V. Republik Gültigkeit besitzen: Pluralismus, die Neutralität des Staates und die Gewissensfreiheit. Der Historiker Jean Baubérot, einst Berater François Mitterrands bei Laizismus-Fragen und Begründer einer Soziologie des Laizismus warnt jedoch schon lange vor einer zu eng gefassten Form dieser Staatsdoktrin, wenn sie beispielsweise gekapert von rechts außen auf eine ungleiche Behandlung zwischen den Religionen führe. Als Beispiel führt er das Verschleierungsverbot an.

Denn während das Gesetz von 1905 dazu ausgelegt war, den Einfluss der katholischen Kirche zurückzudrängen, wird die heutige Debatte um das Thema Trennung von Staat und Religion nahezu ausschließlich im Zusammenhang mit einer einigen Religion diskutiert: dem Islam. Auf Seiten der muslimischen Bevölkerung ist daher der Eindruck entstanden, Laizismus sei ein Anti-Islam-Prinzip.

Dieser Eindruck wird auch verstärkt, weil die politische Klasse gegen die omnipräsente terroristische Bedrohung seit 2015 stets den Laizismus und die Werte der geeinten, unteilbaren Republik anführt, also Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Dabei kann die Nation dieses letzte Versprechen für bestimmte Citoyens schon seit Jahrzehnten nicht mehr einlösen. Franzosen mit maghrebinisch klingenden Namen erhalten schwerer eine Arbeit oder eine Wohnung. Der Fahrstuhl, der durch Bildung und Leistung angetrieben, in obere gesellschaftliche Etagen führen soll, steckt seit langem im Keller fest.

So stellen immer mehr Franzosen und Französinnen mit Einwanderungshintergrund die Werte der Republik in Frage, weil sie einerseits die Meinungs- und Pressefreiheit gutheißen sollen, während andere republikanische Prinzipien (besonders die Gleichheit) nicht für sie zu gelten scheinen. Den Rückzug auf die eigenen Gruppenidentität - sei es auf Nationalität oder die Religion -  hängt daher offenkundig vor allem mit den aktuellen ökonomischen und sozialen Realitäten dieser Bevölkerung zusammen. Um die bestehenden Verhältnisse zu ändern und das Aufstiegsversprechen einzulösen, könnten allerdings Jahre, gar Jahrzehnte vergehen. Zeit, die Frankreich nicht hat.

Und der Ton in der Debatte wird rauer. Innenminister Gérald Darmanin kritisiert Halal-Regale in Supermärkten und das neue Gesetz gegen Separatismus soll vordergründig Spaltungen in der Gesellschaft entgegenwirken, hat aber bislang vor allem zu einer Debatte geführt, die die Spaltungen vertieft. Mehr Transparenz bei der Finanzierung von Moscheen und das Verbot ausländischer Imame könnten durchaus sinnvolle Maßnahmen sein - aber das Gesetz ist zu einseitig gegen eine Bevölkerungsgruppe in Frankreich gerichtet, die das auch so wahrnimmt. Dabei ist die französische Linke in der Frage, wie viel oder wie wenig Platz man dem Islam in der Gesellschaft lassen muss, uneins. Vielleicht kehrt mit dem Ende des Charlie Hebdo-Prozesses am Jahresende wieder etwas Ruhe ein, doch die Angst vor islamistischen Anschlägen dauert an.