Europäischer Strukturwandel: Erstes Treffen der trilateralen Gruppe in Paris

Bericht

Am 2. und 3. Juli 2018 kam das Französisch-Deutsch-Polnische Forum zu Europäischem Strukturwandel in Paris zusammen.

Während die Europäische Union mit ihrer Debatte über ihre langfristige Klimastrategie bis 2050 beginnt, wird deutlich, dass es dem gesamten Kontinent an einer klaren Vision für den Übergang zu nachhaltiger Energie mangelt. Dennoch bietet die europaweite langfristige Debatte zu Klima und Energie einige wichtige Möglichkeiten für die Länder, welche großen Herausforderungen im Energiebereich gegenüberstehen (beispielsweise starke Abhängigkeit von Kohle oder Kernkraft). Die Ergebnisse dieser Debatte können zu besseren langfristigen und grenzüberschreitenden Plänen in der Klima- und Energiepolitik führen.

Jedoch haben Veränderungen im Energiesektor und das große Innovationspotential im Zeitalter der Digitalisierung auch nennenswerte Auswirkungen auf die Gesellschaft als Ganzes und die Wirtschaft im weiteren Sinne. Damit einher geht die Transformation von Unternehmen, ganzen Wirtschaftssektoren und Arbeitsmärkten. Eine europaweite Energiewende kann nur politisch nachhaltig sein, wenn Politik im Strukturwandel so angegangen wird, dass sie konkrete Lösungen für die dringendsten Probleme der europäische Bürger/innen bietet. Daher können europäische Länder, die mit ähnlichen Herausforderungen im Hinblick auf ihren Strukturwandel kämpfen, von strategischem Dialog über zukunftsfähige Lösungen zur Energiewende profitieren, insbesondere im Hinblick darauf, wie die Transition strukturiert, gelenkt und organisiert wird.

Eine der wahrscheinlich größten Herausforderungen für Polen ist es, die Stromversorgungslücke von 30% bis 2030 zu schließen, welche durch die schrittweise Stilllegung von Kohlekraftwerken und der übermäßigen Abhängigkeit des Landes von Kohle als Energiequelle entstanden ist.  Für Frankreich wird das nächste Jahrzehnt in Bezug auf Modernisierung und Bau von neuen Kernanlagen sowie das Anziehen hoher Investitionen in erneuerbare Energieformen entscheidend sein. Für Deutschland, oftmals als Vorläufer in der Energiewende betrachtet, wird die größte Herausforderung darin bestehen, Energiekosten zu beschränken sowie einen soziopolitisch soliden Strukturwandelprozess in seinen Kohleregionen und seinem Automobilsektor zu verwalten.

Während diese zentralen Herausforderungen innerhalb der drei Länder stark zu variieren scheinen, befassen sie sich alle mit den transformativen und strukturellen Herausforderungen, welche die Energiewende mit sich bringt. Von daher ermöglicht die Heinrich-Böll-Stiftung in den Jahren 2018 und 2019 einen strategischen Dialog zu Strukturwandel zwischen diesen drei Ländern. Die Gruppe, bestehend aus fünf Teilnehmenden pro Land, diskutiert nicht nur Herausforderungen und Lösungen, die sie alle betreffen, sondern befasst sich auch mit Missverständnissen über die jeweils anderen Energiepolitiken und öffnet somit den Weg für eine stärkere EU-Integration mit einer ehrgeizigen europäischen Energiepolitik als einer ihrer entscheidendsten Integrationsmotoren.

Das erste Treffen der Gruppe in Paris hatte zum Ziel, ein gemeinsames Verständnis der bevorstehenden Aufgabe zu schaffen und die Teilnehmenden in die verschiedenen nationalen Kontexte für Strukturwandel in Polen, Frankreich und Deutschland einzuführen. Eine der zentralen Lehren aus diesem Treffen war, dass mehr Ähnlichkeiten zwischen unseren drei Ländern bestanden, als ursprünglich angenommen, insbesondere zwischen Polen und Frankreich. Beide Länder haben ein stark zentriertes und staatliches Energiesystem und benötigen somit ähnliche Ansätze.

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Eine weitere zentrale Lehre aus dem Treffen ist das Erkennen der Notwendigkeit, eine Theorie bzw. einen Narrativ des Wandels zu entwickeln. Ein Teilnehmer merkte an, dass der Hauptgrund dafür, dass Deutschlands Energiewende festgefahren scheint, der Mangel eines Narratives zu den Vorteilen für die gewöhnlichen Bürger/innen sei. In Frankreich und Polen gibt es eine große Vielfalt an soziologischen Aspekten, welche die nationale Diskussion zur Energiewende antreiben, während die Diskussion in Deutschland verwurzelter im Sinne persönlicher Verantwortung erscheint. Somit ist das Narrativ des Gemeinsamen für Frankreich und Polen von Bedeutung.

Eine hohe Relevanz wurde dem Einbezug lokaler Akteur/innen in den nationalen und europäischen Energiediskussionen zugeschrieben. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass trotz verschiedener Ansätze zu Strukturwandel an einer gemeinsamen Methodik und der Entwicklung eines lokalen Ansatzes und einer bürgerorientierten Strategie gearbeitet werden muss, um die Botschaft an eine große Bandbreite an Stakeholdern zu übermitteln. Jede Botschaft muss explizit an die verschiedenen lokalen Situationen angepasst werden.

Die Gruppe wird sich im Dezember während der COP24 in Katowice erneut treffen, um ihre Diskussion zur Entwicklung von Narrativen einer sozial gerechten und nachhaltigen Transition basierend auf lokalen Fallstudien fortzuführen. Ein drittes und ein viertes Treffen werden 2019 in Deutschland und Brüssel stattfinden.

(Übersetzung und deutsche Redaktion: Paula Reichert)