Auf einer internationalen Konferenz in Berlin hat ein breites Bündnis von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Kommunen aus Frankreich, Italien, Polen und Deutschland einen Neustart der europäischen Asyl- und Migrationspolitik gefordert.
- Zivilgesellschaftliche Organisationen aus Frankreich, Italien, Polen und Deutschland präsentieren Forderungskatalog für neue EU-Kommission.
- EU-Kommission muss Menschenrechtsverletzungen von EU-Staaten abstellen
- Unterzeichner fordern EU-weiten Flüchtlingsstatus.
- Bündnis verlangt von EU-Institutionen und Regierungen Eintritt in „postpopulistisches Zeitalter und Rückkehr zu vernünftiger Sachpolitik“
Europa braucht einen Neustart seiner Asyl- und Migrationspolitik auf der klaren Grundlage geltender Konventionen und Grundrechte. Dies fordert ein breites Bündnis von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Kommunen aus Frankreich, Italien, Polen und Deutschland in einem Aktionsplan, der Montag in Berlin vorgestellt wurde. Das bedingungslose Recht auf faire Asylverfahren, die uneingeschränkte Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und weiterer Menschenrechtsinstrumente sowie eine gerechte Aufteilung der Verantwortung zwischen den Mitgliedsstaaten müssten in aller Entschiedenheit durchgesetzt werden. Vor genau 20 Jahren sei auf dem Rat im finnischen Tampere eine gemeinsame EU-Politik nach diesen Kriterien feierlich eingeläutet worden – die neue EU-Kommission müsse ihr nun neues Leben einhauchen. Das Bündnis fordert die europäischen Institutionen und Regierungen wörtlich dazu auf, „in ein postpopulistisches Zeitalter einzutreten und mit Gelassenheit und Augenmaß zu einer vernünftigen Sachpolitik zurückzukehren.“
Der 5-Punkte Plan sieht die EU-Kommission in der Pflicht, die Einhaltung der EU-Asylgesetze sicherzustellen und Menschenrechtsverletzungen durch EU-Staaten abzustellen. Außerdem müsse ein neues Zuständigkeitssystem entwickelt werden, das berechtigte Interessen von Asylsuchenden berücksichtigt. Nur so könne Sekundärmigration verhindert werden. Zudem fordern die Organisationen ein vorläufiges, freiwilliges Umverteilungs-Programm und einen EU-weiten Flüchtlingsstatus, der eine frühe Freizügigkeit ermögliche.
Dazu erklärt Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland:
„Wir müssen an die Aufbruchstimmung im finnischen Tampere anknüpfen: Wir brauchen eine auf Menschenrechten und Flüchtlingsschutz basierte Asyl- und Migrationspolitik, die von allen Mitgliedstaaten getragen wird. Wir erwarten von der Kommission, dass sie als Hüterin der EU-Verträge die verheerende Situation für Asylsuchende an den Außengrenzen abstellt. Außerdem sollte die Kommission bei Überlegungen für eine Reform von Asylzuständigkeiten von einer verpflichtenden Prüfung von sicheren Drittstaaten für Asylsuchende Abstand nehmen, wie es derzeit für syrische Antragsteller in Griechenland der Fall ist. Dies sendet ein falsches Signal an diejenigen Länder, die viel größere Zahlen von Flüchtlingen aufnehmen als die EU.“
Ellen Ueberschär, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, unterstreicht:
„Dieser Berliner Aktionsplan ist ein deutlicher Appell an die neue Kommission. Die Blockaden in der Europäischen Asyl- und Migrationspolitik müssen jetzt überwunden werden, ein Weiter-So darf es hier nicht geben. Zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure sowie Kommunen, die vorangehen und sich in diesem Bereich engagieren wollen, müssen jetzt europäisch gestärkt statt behindert oder sogar kriminalisiert werden. Es braucht dringend eine menschenwürdige und auf den Rechtsgrundsätzen und -prinzipien der Europäischen Union basierende gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik.“
Für Thierry Le Roy, Präsident der französischen Organisation France Terre d’Asile, kommt es dabei insbesondere auf das deutsch-französische Tandem an:
„Frankreich und Deutschland müssen nun in einem ersten Schritt gemeinsam vorangehen und eine Koalition der Gleichgesinnten bilden, um das elendige Sterben im Mittelmeer und die menschenunwürdigen Irrfahrten der sogenannten Dubliners zu beenden. Der Malta-Mechanismus ist dafür ein erster notwendiger Schritt, reicht dafür aber noch nicht aus. Dem deutsch-französischen Tandem kommt eine besondere Bedeutung dabei zu, die neue Kommission darin zu unterstützen, eine gemeinsame Europäische Asyl- und Migrationspolitik im Sinne unseres Berliner Aktionsplanes voranzubringen. Diese richtet sich in besonderer Weise auch an die Regierungen in Paris und Berlin.“
Den Berliner Aktionsplan mit den daran beteiligten Organisationen finden Sie hier.