In Griechenland, wo seit Anfang November 2020 ein Lockdown verhängt wurde und die Universitäten seit Februar 2020 geschlossen sind, wurde die sogenannte „GEN Z“ oder „Generation Z“ - die eine 10-jährige Wirtschaftskrise erlebt hat, gerade in „Generation Covid“ oder gar „Quarantäne-Generation“ umbenannt, berichtet unser Korrespondent in Athen, Kostas Zafeiropoulos.
Von Kostas Zafeiropoulos, Voxeurop
Is this the real life?
Is this just fantasy?
Caught in a landslide,
No escape from reality
Bohemian Rhapsody
„Ist das das wahre Leben?
Ist das nur Fantasie?
Gefangen in einem Erdrutsch
Keine Flucht vor der Wirklichkeit“
Die meisten, die Mitte der 1990er Jahre geboren wurden, kennen wahrscheinlich weder die Bohemian Rhapsody von Queen noch den beliebten Covid-Remix aus dem letzten Jahr:
„Mama, ich habe gerade einen Mann getötet.
Ich bin nicht im Bett geblieben, bin an ihm vorbeigelaufen, jetzt ist er tot.
Mama, das Leben hat so viel Spaß gemacht.
Aber jetzt habe ich mir diese unbarmherzige Seuche eingefangen.“
Die Pandemie ist ein Schock, der das Leben aller betrifft. Es gibt immer noch einige, die nichts anderes als eine Krise selbst erlebt haben, sogar in der entwickelten Welt. In Griechenland erlebt die Generation der 10-jährigen Finanzkrise - die sogenannte GEN Z, die kürzlich in Generation-Covid oder Quarantäne-Generation umbenannt wurde, das Ganze wie einen schlechten Scherz: Eine Kombination aus Gesundheits- und Finanzkrise. Es handelt sich um eine Generation, die sich daran gewöhnt hat, dass das Leben eine ständige Bedrohung ist.
„Sag mir, wann das endet? Wir hätten cooler sein können, wenn wir das Ende des Tunnels gekannt hätten. Die Leute um mich herum waren an einem Punkt angekommen, an dem wir unser Leben begannen, unsere ersten richtigen Vollzeitjobs hatten, unsere ersten Wohnungen. Wir entwickelten uns zu Erwachsenen. Aber dann wurde all das gestoppt“, erzählt Maria Brofa, eine 25-jährige Studentin der Bauingenieurwissenschaften der Universität Patras.
Sie arbeitet in einer Firma für Gesundheits-Sicherheitsdienste und schätzt sich glücklicher als ihre Freunde: Die meisten von ihnen haben während der Pandemie ihre Arbeit verloren. „Die Unsicherheit ist groß. Wahnsinnig viele Studenten arbeiteten als Kellner oder Kellnerinnen schwarz, bis sie ihren Abschluss hatten. Sie waren nicht offiziell als Arbeitskräfte registriert. Also haben sie nicht nur ihren Job verloren, sondern auch die Möglichkeit, ein Einkommen oder eine Unterstützung zu bekommen“, erklärt Maria. Sie kehrten in ihr Elternhaus zurück und unterbrachen ihr Leben. Sie sind ständig online, gestresst, vermeiden den Kontakt zu ihren anfälligen Eltern und hören den Medien zu, die ihnen unverantwortliches Verhalten vorwerfen.
Griechenland befindet sich seit Anfang November im Lockdown. Der Grund? Ein Anstieg der Infektionen. Sein unter Druck gesetztes öffentliches Gesundheitssystem wurde durch die zurückgehenden Infektionen dennoch entlastet. Die Universitäten sind seit dem Beginn der Pandemie im Februar letzten Jahres geschlossen. Natürlich gibt es Online-Kurse und Prüfungen, dennoch ist all dies problematisch: Für die Pädagogik (technische Studien verschlechtern sich, Unterrichtsstunden und Laborexperimente werden verschoben) und für die Wirtschaft. Unterdessen behauptet die Regierung – insbesondere während der ersten und weniger schmerzhaften Welle –, dass „die griechischen Hochschuleinrichtungen Vorlesungen schnell durch Online-Lernen ersetzt haben“. Dennoch hat mehr als die Hälfte derjenigen, die in den letzten zwei Jahren ihr Universitätsstudium angefangen haben, nicht eine einzige Stunde in ihrer Schule verbracht.
Die griechischen Gesetzgeber haben am 11. Februar ein Gesetz verabschiedet, das eine Sonderpolizei auf dem Universitätsgelände erlaubt. Dieses ist Teil der Bildungsreformen, die laut der Studenten die akademische Freiheit bedrohen. Dabei wurde diese nach dem Ende der Militärherrschaft in den 1970er Jahren eingeführt. Zudem hat dieses neue Gesetz eine dramatische Senkung der Anzahl der Neuzulassungen von Studenten zur Folge. In den letzten drei Monaten haben in ganz Griechenland Dutzende von Studentendemonstrationen gegen dieses neue Gesetz stattgefunden.
In einer kürzlich durchgeführten Studie des Nicos Poulantzas Instituts (NPI) baten die Forscher 17- bis 34-Jährige darum, die zwei hauptsächlichen Gefühle in ihrer aktuellen Situation zu beschreiben. Die Gefühle, die bei den Jugendlichen dominieren, sind Enttäuschung (49%), Wut (41%), Ekel (27%), Verzweiflung (25%) und Angst (19%). Nur 17% fühlen sich positiv und optimistisch bzw. haben noch ein wenig Hoffnung. Sieben von zehn gaben an, dass die Pandemie vor allem Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit hat. 16% betonten den Einfluss der Pandemie auf ihre Finanzen. Im Gegensatz dazu fühlen sich 66% der Studienteilnehmer doch noch irgendwie zufrieden mit ihrem Leben. Zu jung, um völlig zu verzweifeln.
„Zum Glück haben wir noch keine eigenen Kinder. Natürlich hat das alles Auswirkungen auf unsere Kontaktfreudigkeit und unsere Beziehungen. Das mag nach Problemen der ersten Welt klingen. Genau das sind sie auch. Aber das war nun einmal unser Alltag und damit das Wichtigste in unserem Leben. Das Schlimmste ist, dass keine neuen Erinnerungen, Bilder, Erfahrungen oder Beziehungen entstehen“, erklärt Giorgos, 21, Student im dritten Jahr an der Universität von Athen.
Laut der Studie werden die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie von jedem Fünften (21 %) als noch bedeutsamer angesehen. Auf Marias strahlendem Gesicht zeichnet sich ein bitteres Lächeln ab, als wir sie nach der staatlichen Politik und finanziellen Hilfen für die von der Pandemie betroffenen jungen Menschen fragen. „Unsere einzige Hoffnung ist, dass unsere Väter und Mütter ausreichende Gehälter oder ausreichende Renten bekommen, die für uns alle reichen.“
Impfung der Hoffnung und der Angst
Laut einer anderen Studie von Vice will sich jeder Zweite dieser Generation in Griechenland ohne Bedenken impfen lassen. 42,6 % glauben, dass der Impfstoff Nebenwirkungen haben wird, 60 % fühlen sich erst dann sicherer, wenn die Mehrheit geimpft sein wird.
Was ihre Meinungen zur Pandemie angeht, weisen die jungen Männer und Frauen den Vorwurf der sogenannten „Verantwortungslosigkeit“ zurück und behaupten, dass demokratische Rechte - wie das Demonstrationsrecht - auch inmitten einer Pandemie nicht verletzt werden sollten. Zudem sind sie der Ansicht, dass die Erkenntnisse der Wissenschaft und Forschung dem Gemeinwohl dienen sollten und vertrauen vor allem dem öffentlichen Sektor, der in Krisenzeiten Lösungen bereitstellen sollte.
„Zum Glück haben wir noch keine eigenen Kinder. Natürlich hat das alles Auswirkungen auf unsere Kontaktfreudigkeit und unsere Beziehungen. Das mag nach Problemen der ersten Welt klingen. Genau das sind sie auch. Aber das war nun einmal unser Alltag und damit das Wichtigste in unserem Leben. Das Schlimmste ist, dass keine neuen Erinnerungen, Bilder, Erfahrungen oder Beziehungen entstehen“.
Giorgos, 21
In der Umfrage des Poulantzas-Instituts gaben 31% der jungen Leute (im Vergleich zu 34% im Jahr 2020) an, dass sie wenig oder kein Vertrauen in die Institutionen haben. Diejenigen, die einen relativen Zuspruch genießen – allerdings geringfügiger als in den meisten anderen europäischen Ländern - sind die Justiz (38%), die Europäische Union (nur 28%) und die Polizei (27%). Dabei ist zu beachten, dass die Datenerhebung vor den jüngsten Vorfällen von Polizeiwillkür und -gewalt in Griechenland abgeschlossen wurde. Das geringste Vertrauen haben sie unterdessen in politische Parteien (nur 11% sagen, dass sie ihnen „viel“ oder „genug“ Vertrauen entgegenbringen) und vor allem in die Medien (6%), was einen neuen Negativrekord für Griechenland darstellt.
"Die schwerwiegendste Erkenntnis unserer Studie war die zunehmende Abwertung der Institutionen im Land. Besonders in Südeuropa sind junge Menschen immer skeptischer. All das Negative, was in Griechenland auch schon vorher herrschte, hat sich mit der Pandemie nur noch verstärkt. Es ist eine Generation der Widersprüche mit immer mehr Schwierigkeiten, aber auch mit einer bewundernswerten Widerstandskraft: Eine Generation, die auf ihre eigene Weise politisiert, ambivalent, aktiv und ängstlich ist und nach Lösungen sucht“, erklärt Danai Koltsida, Direktorin des Nikos Poulantzas Instituts und Koordinatorin dieser Studie über Jugendtrends.
Letzten Endes könnte sich die Etikettierung der verlorenen Generation als falsch erweisen. Allerdings ist eines klar: Freddie Mercury wird im Soundtrack dieser Ära nicht zu finden sein. Hören wir uns also eher Simon & Garfunkel’s Sound of Silence an.
Übersetzung von: Julia Heinemann