Bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Das politische Buch“ tauschten der deutsche Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller und die französische Ökonomin Julia Cagé ihre Ideen aus.
Die Fragen, was eine Demokratie ausmacht und wodurch sie bedroht ist, beschäftigt den deutschen Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller schon seit langem und er widmet ihr sein aktuelles Buch mit dem Titel „Freiheit – Gleichheit – Ungewissheit: Wie schafft man Demokratie?“. Auch wenn er sich darin überwiegend mit Ländern wie Deutschland, Ungarn oder den USA auseinandersetzt, so macht der Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, diese Fragestellungen aktueller denn je – ein brutaler Angriffskrieg auf eine Demokratie, beschlossen durch einen Autokraten. Dies unterstrich Müller, der an der US-amerikanischen Universität Princeton politische Theorie und Ideengeschichte lehrt, bei einer Podiumsdiskussion, organisiert von der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Goethe-Institut in Paris. Mit ihm diskutierte Julia Cagé, Wirtschaftsprofessorin an der Wirtschaftsabteilung von Sciences Po Paris und ebenfalls Autorin mehrerer Bücher zu ähnlichen Themen, darunter „Der Preis der Demokratie“ und ein kürzlich erschienenes Werk mit dem Titel „Pour une télé libre. Contre Bolloré“ („Für ein freies Fernsehen. Gegen Bolloré“). Die Spezialistin für politische Ökonomie, Medienwirtschaft und Finanzierung der Demokratie schlägt unter anderem eine neue Form der Parteienfinanzierung vor, welche Jan-Werner Müller in seinem jüngsten Werk aufgreift: Um zu verhindern, dass eine kleine, reiche Minderheit in überdurchschnittlichem Maße an Parteien spendet und damit eindeutig Einfluss auf deren Stärke und damit auch Entscheidungen ausübt, solle jeder Bürger vor Wahlen eine gewisse Geldsumme erhalten, um sie vergeben zu können und damit gerade auch neuen politischen Formationen eine Chance zu geben. Jan-Werner Müller zufolge handelt es sich um einen interessanten Vorschlag, auch wenn dessen Umsetzung wohl am politischen Willen der Verantwortlichen scheitern könne.
Einig zeigten sich beide auch bei der Analyse, dass sowohl die Medien als auch die politischen Parteien eine wichtige Funktion in einer Demokratie haben – und deren Krise auch die aktuelle Krise der Demokratien mit bedingt. Eine andere, transparentere Form der Finanzierung auch der Medien könne hier ein Ansatz sein, um effektiv Abhilfe zu schaffen.
Jan-Werner Müller, Autor eines Werkes mit dem Titel „Was ist Populismus?“, ging auch auf den Wesenszug des Rechtspopulisten ein. Nicht die Kritik an der Elite an sich definiere diesen, sondern vielmehr die Behauptung, als einziger „das wahre Volk“ zu vertreten. Angesichts des laufenden französischen Präsidentschaftswahlkampfs mit zwei rechtspopulistischen Kandidaten, die relativ gut platziert sind, handelte es sich um interessante und äußerst aktuelle Ausführungen.