Am 12. und 19. Juni 2022 finden die Parlamentswahlen in Frankreich statt, die maßgeblich über die finanzielle Ausstattung der Parteien entscheiden. Grund genug, um sich das System der Parteienfinanzierung in Frankreich und Deutschland genauer anzuschauen.
Das ist nun der Termin, auf den sich alle Augen richten: die Parlamentswahlen [1] am 12. und 19. Juni. Neben der politischen Auseinandersetzung und dem Ringen der Parteien um Bündnisse und Sitze in der Nationalversammlung, geht es für die Parteien um mehr: Von dieser Wahl hängen ihre staatlichen Einnahmen für die nächsten fünf Jahre ab - und für manche geht es sogar um ihr politisches und finanzielles Überleben.
In den vergangenen Wochen ist das Thema der Parteienfinanzierung in Frankreich erneut in den Vordergrund gerückt: Zum einen, da die beiden Parteien „Europe Écologie Les Verts EELV“ und „Les Républicains“ nach den Präsidentschaftswahlen zu Spenden aufgerufen haben. Zum anderen musste Marine Le Pen, während des Wahlkampfs, mehrfach die russische Finanzierung ihrer Partei und ihrer Präsidentschaftskampagne erklären.
Ein genauerer Blick auf die Finanzierung der Parteien in Frankreich ist deshalb lohnenswert - und zeigt Unterschiede zum System in Deutschland auf.
Parteienfinanzierung in Frankreich und Deutschland im Vergleich
Anders als in Deutschland, wird in Frankreich bei der staatlichen Finanzierung grundsätzlich zwischen Wahlkampf bedingten Ausgaben und der staatlichen Parteienfinanzierung per se unterschieden.
1. Erstattung der Wahlkampfkosten:
In Frankreich werden Wahlkampfausgaben von staatlicher Seite rückerstattet, jedoch gibt es hierfür eine Ausgabenobergrenze, die per Dekret festgelegt wird (2022: 16,851 Millionen Euro im ersten und 22,509 Millionen Euro im zweiten Wahlgang pro Partei). Schneiden Parteien bei den Präsidentschaftswahlen unterhalb der 5%-Hürde ab, erstattet der Staat 4,75 % dieser Obergrenze (2017: max. 800.423 Euro als eine pauschale Erstattung). Oberhalb der 5%-Hürde erhalten die Parteien hingegen 47,5% der Ausgabenobergrenze, das heißt circa acht Millionen Euro. Die gleichen Regeln gelten für die Parlamentswahlen, wobei hier die Ausgabenobergrenze bei 38.000 Euro pro Kandidat*in liegt.
Zudem sind die Kandidat*innen verpflichtet, sobald sie ihre Kandidatur für die Präsidentschaftswahl erklären, eine*n Finanzbevollmächtigen zu benennen und sich bei einer unabhängigen Verwaltung zur Kontrolle der Ausgaben, der „Commission nationale des comptes de campagne et des financements politiques“ (kurz: CNCCFP), zu melden. Der*die Finanzbevollmächtigte kann entweder ein Verein oder eine Person sein, der/die für die Eröffnung eines Bankkontos zuständig ist, auf dem alle Wahleinnahmen und -ausgaben verbucht werden. Wahlkampfmittel dürfen grundsätzlich aus vier Quellen kommen: aus Eigenmitteln des*der Kandidat*in, aus Spenden (von der Partei oder von privaten Personen), aus parteiinternen Mitteln und aus dem Verkauf von Wahlkampfprodukten. Parteiinterne Mitteln und Eigenmitteln des*der Kandidat*in müssen aus Krediten kommen von Banken mit Sitz in der EU (und nicht von Privatpersonen). Darüber hinaus ist die Arbeit des*der Bevollmächtigten zeitlich beschränkt (Auflösung drei Monate nach Wahlkampfende) und von Kandidat*in und Partei unabhängig.
Trotz der strengen Regeln, die eine gewisse Gerechtigkeit zwischen den Kandidat*innen gewährleisten sollen, hat die Kampagne von Nicolas Sarkozy im Jahr 2012 und die damit verbundene Bygmalion Affäre für besonderes Aufsehen gesorgt. Hierbei wurde der ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy zu einem Jahr Haft verurteilt, da er mithilfe gefälschter Rechnungen zu hohen Wahlkampfausgaben vertuscht hat, um so unter der gesetzlichen Obergrenze zu bleiben. Diese Rechnungen sind bei der CNCCFP nicht anerkannt worden und seine Wahlkampfkosten wurden folglich nicht erstattet. Um die Kosten dennoch zu bezahlen hat seine Partei „UMP“ (jetzige Les Républicains) daraufhin einen Spendenaufruf gestartet und so insgesamt 12 Millionen Euro eingesammelt.
Neben der öffentlichen Finanzierung, ist auch die private Finanzierung von Wahlkämpfen in Frankreich möglich, unterliegt jedoch strengen Auflagen, da nur Mitgliedsbeiträge oder Spenden von französischen oder in Frankreich lebenden Privatpersonen bis zu einer Höhe von 4.600 Euro erlaubt sind.
2. Parteienfinanzierung
Neben der Wahlkampfkostenrückerstattung kommt der Großteil der staatlichen Mittel für französische Parteien aus einer jährlichen öffentlichen Finanzierung und richtet sich nach den Erfolgen der Parteien bei den beiden Kammern (Assemblée Nationale und Senat). Aus diesem Grund sind die anstehenden Parlamentswahlen für die zukünftige Parteienlandschaft Frankreichs entscheidend.
Die öffentliche Parteienfinanzierung setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen: Zum einen richtet sich die Höhe der staatlichen Mittel nach den Ergebnissen des ersten Wahlgangs der Parlamentswahlen. Gewinnt eine Partei in mindestens 50 Wahlkreisen mindestens 1% der Stimmen, dann erhält sie 1,64 Euro pro Stimme pro Jahr. Zum anderen erhalten Parteien, die in der Assemblée Nationale oder dem Senat vertreten sind, zusätzlich 37.000 Euro pro Parlamentarier pro Jahr.
Auch in Deutschland richtet sich die Höhe der staatlichen Parteienfinanzierung nach den Erfolgen der Parteien bei den Wahlen. Im Gegensatz zu Frankreich hängt jedoch nicht der Großteil der Finanzierung für die nächsten fünf Jahre von einer Wahl ab. Stattdessen erhalten Parteien in Deutschland eine staatliche Förderung, wenn sie bei Europa- und/oder Bundestagswahlen mindestens 0,5% sowie bei Landtagswahlen mindestens 1% der Zweitstimmen gewinnen konnten. In seltenen Fällen gilt zudem, dass Parteien auch eine Förderung erhalten, wenn sie mindestens 10% der Erststimmen in einem Wahlkreis gewinnen konnten, obwohl sie dort keine gültige Landesliste hatten. Trifft eines oder mehrere der Szenarien zu, bekommen Parteien 0,83 Euro pro Stimme pro Jahr (Zahlen beziehen sich auf 2020 und erhöhen sich jährlich). Um den Vorteil von etablierten Parteien im Parlament gegenüber neueren und kleineren Parteien auszugleichen, erhalten Parteien für die ersten vier Millionen Stimmen 1,03 Euro pro Stimme pro Jahr (2020; Zahl erhöht sich jährlich). Zusätzlich bekommen deutsche Parteien für jeden Euro, den sie als Zuwendung (Mitglieds- oder Mandatsbeiträge oder Spenden bis zu 3.300 Euro von natürlichen Personen) erhalten haben, 0,45 Euro.
In Frankreich wurden 2022 66,15 Millionen Euro für die Parteienfinanzierung ausgegeben. Dieser Beitrag kann in Frankreich - anders als in Deutschland, wo es eine von dem*der Präsident*in des Bundestags beschlossene Obergrenze von 200 Millionen Euro gibt (2021) - abweichen. Wird die Obergrenze in Deutschland überschritten, werden die Beiträge für die einzelnen Parteien anteilig gekürzt. Zudem darf die Höhe der staatlichen Zuschüsse den selbst erwirtschafteten Gewinn nicht überschreiten; das heißt die Parteien müssen sich immer mindestens zur Hälfte selbst finanzieren. Dies tun sie zum einem über Mitgliedsbeiträge und zum anderen durch private Spenden (50% absetzbar in den Steuererklärungen). Im Gegensatz zu Frankreich, wo die private Parteienfinanzierung ebenfalls strengen Regeln unterliegt und nur aus den Beiträgen der Mitglieder und gewählter Vertreter der Partei sowie aus privaten Spenden von max. 7.500 Euro/Jahr und pro Person mit französischer Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz in Frankreich besteht (66% absetzbar in den Steuererklärungen), gibt es in Deutschland keine Obergrenze für Spenden- diese müssen jedoch von deutsche Staatsbürger*innen oder Bürger*innen der Europäischen Union erfolgen. Spenden aus dem EU-Ausland dürfen in Deutschland maximal 1000 Euro betragen. Zudem sind in Deutschland neben Privatpersonen auch Unternehmen und Wirtschaftsverbände berechtigt Parteispenden zu tätigen, während in Frankreich seit 1995 Spenden von juristischen Personen (Unternehmen, Vereinen, etc.) grundsätzlich verboten sind.
Kritik am System
Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland ist das bestehende Parteienfinanzierungssystem nicht unumstritten. In Frankreich wird einerseits die hohe Abhängigkeit der staatlichen Zuschüsse von den Parlamentswahlen und andererseits die systematische Bevorzugung von großen gegenüber kleinen Parteien kritisiert, da kleine Parteien mit schlechteren Wahlergebnissen weniger Unterstützung erhalten und somit weniger Ressourcen für zukünftige Wahlkämpfe haben. In Deutschland sorgt vor allem die private Parteienfinanzierung für Unmut. So kritisiert der Verein Lobbycontrol schon lange die mangelnde Transparenz privater Parteispenden durch das bestehende System. Da Parteien in Deutschland Spenden erst ab 10.000 Euro pro Jahr in ihren Rechenschaftsberichten veröffentlichen müssen, ist die Transparenzschwelle laut Lobbycontrol so hoch, dass bis zu 75% der Spenden anonym bleiben können. Zudem sei es gängige Praxis, dass Spenden auf mehrere „Strohleute“ aufgeteilt werden, um die Veröffentlichungspflicht zu umgehen, so der Verein. Auch die fehlende Obergrenze wird kritisiert, wodurch „das demokratische Grundprinzip gleichen Stimmgewichts aller Bürger*innen“ aufgeweicht wird.
Immer wieder gab es deshalb in der Vergangenheit in Deutschland Skandale, bei denen private Spender*innen, Verbände und Unternehmen bewusst die gesetzlichen Lücken ausgenutzt haben. Der bekannteste Fall ist die CDU-Spendenaffäre in den 1990er-Jahren. Aber auch in der jüngsten Vergangenheit sorgten Fälle illegaler Parteispenden für Aufsehen, wie im Sommer 2017, als der Kreisverband der AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel Wahlkampfspenden in Höhe von 130.000 Euro eines Schweizer Pharmaunternehmens angenommen hat.
Parität zwischen Männern und Frauen: Parteienfinanzierung als Hebel für eine größere Repräsentativität?
Dass staatliche Parteienfinanzierung auch eine Lenkungswirkung haben kann, zeigt Frankreich, indem staatliche Parteimittel seit dem Jahr 2000 an die Einhaltung der Parität gebunden sind (loi 2000-493 und loi 2014-873). Dort gilt, dass Kandidat*innenlisten abwechselnd mit Männern und Frauen besetzt werden müssen, da sonst die staatlichen Zuschüsse für Parteien gekürzt werden. Dies führte dazu, dass einige Parteien, wie beispielsweise „Les Républicains“ und „La France insoumise“ mit deutlichen Kürzungen ihrer Gelder rechnen mussten. Trotz dieses Gesetzes waren in der letzten Legislaturperiode (2017-2022) nur 38,7% der Parlamentarier*innen Frauen, was vor allem daran lag, dass Frauen oft in “nicht gewinnbaren” Wahlkreisen aufgestellt wurden.
Was bleibt für die anstehenden Parlamentswahlen?
Die Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni 2022 werden das politische Momentum der nächsten fünf Jahre sein. Abzuwarten bleibt, inwiefern die Parteien, die mehr als 5% beim ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl (z.B. „Reconquête“ von Eric Zemmour oder „le Rassemblement National“ von Marine Le Pen), es schaffen, ihren “Erfolg” bei den Präsidentschaftswahlen nun in Sitze - und damit in eine gesicherte staatliche Finanzierung - umzuwandeln. Gleichzeitig müssen „Europe Ecologie Les Verts EELV“ und „Les Républicains“ darauf hoffen, dass sie die 5%-Schwelle bei den Parlamentswahlen überschreiten und so über ihre eigene Zukunft entscheiden können. Die Ankündigung eines gemeinsamen Bündnisses zwischen Linken und Grünen mit der Vereinbarung von 100 gemeinsamen Kandidaturen in “gewinnbaren” Wahlkreisen ist ein erster Schritt in diese Richtung und würde damit EELV auch eine finanzielle Absicherung geben.
[1] Mit Parlamentswahlen sind hier die legislativen Wahlen gemeint, also die Wahl der Abgeordneten der Assemblée Nationale. In Frankreich besteht das Parlament aus der Assemblée Nationale und dem Senat.