Pariser Klimagipfel: Klimaschutz en vogue, Atomkraft passé

Analyse

Frankreich wird zum Klimaschutz-Antreiber - am 12. Dezember 2017 hat Emmanuel Macron zu einem Klimaschutz-Gipfel eingeladen. Eine Umfrage unter etwa 1.000 Franzosen und Französinnen zeigt, dass der Wandel selbst vor dem Nationalheiligtum Atomkraft nicht halt macht.

Emmanuel Macron spricht auf dem Pariser Klimagipfel 2017.
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Emmanuel Macron spricht auf dem Pariser Klimagipfel 2017

Wenn ein französischer Präsident à la Emmanuel Macron etwas ankündigt und anpackt, dann mit Entschlossenheit, Pomp und Eleganz: Über 50 Staats- und Regierungschefinnen und -chefs waren seiner Einladung zum Klimagipfel gefolgt. Mit Ministerinnen und Ministern, Vertreterinnen und Vertretern von Städten und Regionen, Wirtschaftsbossen sowie Stars und Sternchen waren schließlich 130 Länder vertreten.

Die Crème de la Crème wurde im Elysée-Palast empfangen und schipperte nach ausführlicher Mittagstafel mit dem französischen Staatschef bei strahlender Sonne über die Seine zum Tagungsgebäude: Dem Konzertsaal Seine Musicale, ein Symbol modernster, zeitgenössischer Architektur, gelegen auf einer Seine-Insel vor den Toren von Paris.

Dort tagten schon seit dem Morgen rund 3.000 geladene Gäste der Zivilgesellschaft zur Rolle der Städte und Regionen beim Klimaschutz, unter anderem mit der engagierten Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, dem französischen Minister für „ökologische und solidarische Transition“, Nicolas Hulot sowie dem kalifornischen Gouverneur Jerry Brown.

Große Show, viel Konfetti

Nachmittags zogen die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs nach ihrer gemeinsamen Bootstour im großen Saal der Seine Musicale ein und nahmen Platz auf einer gigantischen Bühne, ganz in schwarz und Stahl gehalten, gegenüber den dicht besetzten Publikumsreihen.

Über fünf geschlagene Stunden hinweg gab es nun verschiedene Diskussionsrunden, die sich kurz zusammenfassen lassen: Staats- und Regierungschefinnen und -chefs, Ministerinnen und Minister, Vertreter der Europäischen Kommission wie der Weltbank sowie Wirtschaftsbosse (tatsächlich nur Männer) verkündeten nacheinander, wie und mit welchen Maßnahmen, vor allem aber mit Investitionen oder auch Deinvestitionen, sie eine ökologische Transformation voranbringen wollen.

 

John Kerry spricht auf dem Pariser Klimagipfel, 12. Dezember 2017

Eingeführt hatte Präsident Macron mit einer leidenschaftlichen Brandrede: „Die Herausforderung unserer Generation ist zu handeln, schneller zu handeln, und die Schlacht gegen die Zeit zu gewinnen“.  Es folgte ein stundenlanges Defilée der Klima-Oberstreber, die sich in ihren Ankündigungen einen außergewöhnlichen Überbietungswettbewerb lieferten, vor einem anfänglich noch enthusiastisch applaudierenden, im Laufe des Abends jedoch zunehmend ermatteten Publikum.

Dabei waren insbesondere französische Unternehmen wie Axa, RenaultNissan oder auch BNP Paribas der Einladung (oder auch deutlichen Aufforderung) des Präsidenten gefolgt und hatten Pro-Klimaschutz-Maßnahmen im Gepäck. Zwischendurch durften vor allem Kinder anrührende Fragen stellen. Zum Schluss fasste der stolze Gastgeber das Sammelsurium der präsentierten Maßnahmen zu einem 12-Punkte-Plan zusammen, passend zum Datum 12. Dezember, dem zweijährigen Geburtstag des Pariser Klimaabkommens.

Macron kündigte an, es solle nun jedes Jahr am 12. Dezember eine Folgekonferenz geben, um zu überprüfen, wie die angekündigten Projekte jeweils vorankommen. Außerdem soll eine Website eingerichtet werden, auf der „jede Bürgerin  und jeder Bürger“ überprüfen könne, ob und wie die diese Projekte auch wirklich umgesetzt werden.

Vor allem also große Show und viel Konfetti, wo jeder und jede – und dabei auch einige äußerst fragwürdige, vermeintliche Vorbilder – vor großer Kulisse unwidersprochen den oder die Klimaschützer/in mimen durfte? Ein Rendezvous vor allem von Staatenlenkern (die klare Mehrheit waren Männer) und Big Business bzw. Ex-Big Business, jetzt gewechselt ins Philanthropen-Fach, wie Bill Gates und Michael Bloomberg?

Starke transatlantische Botschaft

Das war es sicher auch. Trotzdem konnten mit diesem Gipfel drei bemerkenswerte Punkte markiert werden:

Das Treffen sendete ein klares und symbolisch bedeutsames Signal gegenüber US-Präsident Donald Trump und seinem Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen. Trump war der omnipräsente Elefant in den Diskussionsrunden. Die versammelten Staaten, Regionen und Kommunen setzten dem ein klares Zeichen entgegen: Der Klimawandel ist verdammt ernst und wir müssen und wollen gegensteuern.

Die US-Vertreter wie der frühere Außenminister und Präsidentschaftskandidat, Senator John Kerry, Gouverneur Jerry Brown aus Kalifornien, der Ex-Bürgermeister und Milliardär Michael Bloomberg wie auch Arnold Schwarzenegger machten klar: Wesentliche Teile der USA engagieren sich weiter in Richtung des Klimaabkommens.

Das war eine starke transatlantische Botschaft insbesondere in Frankreich, dessen traditionell antiamerikanische Neigungen durch Trump gegenwärtig gefüttert werden. Auch nutzen die US-Vertreter die glänzende Kulisse eifrig für Interview-Marathons mit US-Medien.

Klimawandel als Chance

Bemerkenswert war zum zweiten die Manifestation eines einschneidenden Paradigmenwechsels in und für Frankreich mit diesem Gipfel: Erstmals wird in solcher Eindeutigkeit der Klimawandel nicht nur als Notwendigkeit gesehen, sondern auch als Chance für Wirtschaft und Finanzbranche, als Potential hier mit Innovationen und eigenem Engagement voranzugehen, als möglicher Jobmotor und Standortvorteil.

Bislang dominierte jenseits des Rheins mehrheitlich die Vorstellung, Klimaschutz und ökologische Transformation müsse sein  - aber bitte nur soweit es nicht die Wirtschaft in die Bredouille bringt und Jobs riskiert. Entsprechend abgeschlagen ist Frankreich bislang in vielen Bereichen einer grünorientierten Wirtschaft.

Nun wurde im Zentrum der Französischen Republik eine ganz andere Erzählung variantenreich wiederholt: Banken- und Unternehmenschef wetteiferten darin, die Chancen und Potentiale ökologischer Transformationsstrategien herauszustreichen. Kaum kam man noch nach, sich verwundert die Augen zu reiben.

Deutschland glänzte dabei  nicht nur durch die  Abwesenheit von Bundeskanzlerin Merkel und einer in der Diskussion nicht vorkommenden Umweltministerin Barbara Hendricks. Diese beteiligte sie zwar an einer Erklärung, die eine „wirksame“ CO2-Bepreisung einforderte, unterstrich dabei aber vor allem die sozialen Risiken eines Kohleausstiegs. Während Frankreich Klimaschutz-Antreiber war, stand Deutschland weitgehend unbemerkt und vor allem skeptisch an der Seitenlinie.

Studie des Pariser Büros: Nationalheiligtum Atomkraft unter Druck

Noch bleibt abzuwarten, inwieweit sich dieser Paradigmenwechsel im Konkreten auswirken wird. Auch andere Anzeichen sprechen aber dafür, dass zumindest ein Stimmungswandel im Gange ist in französischen Lande.

So zeigt eine Umfrage, die im Auftrag des Pariser Büros der Heinrich-Böll-Stiftung sowie des französischen Think Tanks La Fabrique Écologique von dem renommierten Meinungsforschungsinstitut Harris Interactive durchgeführt wurde, dass der Wandel zumindest in der öffentlichen Meinung selbst vor dem Nationalheiligtum Atomkraft nicht mehr halt macht: Gefragt, ob in Frankreich in den kommenden Jahren prioritär in Erneuerbare oder in Atomkraft investiert werden solle, sprechen sich überwältigende 83 Prozent der Französinnen und Franzosen für Investitionen in Erneuerbare aus.

Und 74 Prozent sind der Ansicht, das gegenwärtige Energiesystem in Frankreich basiere zu sehr auf Atomkraft. Zwar bekräftigte Präsident Macron im Vorfeld des Klima-Gipfels die Absage seiner Regierung an die Zielsetzungen des von der Hollande-Regierung 2015 verabschiedeten Energiewende-Gesetzes, nach dem der Atomkraft-Anteil bis 2025 von 75 Prozent auf 50 Prozent reduziert werden soll.

Dafür seien von seinen Vorgängern nicht die nötigen Voraussetzungen geschaffen worden. Zudem sei seine Priorität der Komplett-Ausstieg aus der Kohle bis 2021 – die im französischen Energiemix allerdings kaum eine Rolle spielt. Aber EDF-Chef Jean-Bernard Lévy durfte sich beim Gipfel selbst nicht als Klimaschützer präsentieren.

Vielmehr wurde er von Regierungsseite dazu angehalten, kurz vorher einen 25-Milliarden Solar-Investitionsplan bis 2035 zu präsentieren. Angesichts der 100 Milliarden, die nach den Berechnungen des französischen Rechnungshofes für den Weiterbetrieb des französischen Nuklearparks allein bis 2030 investiert werden müssten, erscheint diese Summe überschaubar. Dieses Missverhältnis dürfte noch zu interessanten Debatten führen in Frankreich – insbesondere angesichts der äußerst schwierigen Finanzlage des Staatskonzerns EDF.

Subventionsprogramm für amerikanische Saatgut- und Gentechnik-Konzerne?

Schließlich haben sich drittens bei diesem Pariser Klimagipfel neben Präsident Macron selbst viele weitere Akteurinnen und Akteuren mit großen Ankündigungen weit aus dem Fenster gehängt. Wenn auch manch bereits bekanntes darunter war und vieles nicht weit genug geht, so werden sich die Beteiligten doch in Zukunft an ihren Versprechungen messen lassen müssen.

Eine wirkliche Neuigkeit war die Ankündigung von Weltbank-Chef und Mitgastgeber, Jim Yong Kim, ab 2019 generell keine Öl- und Gas-Projekte mehr fördern zu wollen, mit Ausnahmen für ärmere, strukturabhängige Staaten. Für Aufsehen sorgte auch der Chef des Versicherungsriesen Axa, Thomas Buberl, 2,4 Milliarden aus Kohle deinvestieren zu wollen. Deutlich wurde die Entschlossenheit Frankreichs und zahlreicher anderer Staaten, bei einer Mindestbepreisung von CO2 voranzukommen.

Auch in Bezug auf die Einführung einer Finanztransaktionssteuer nach französischem Vorbild will Macron nicht locker lassen. Inwieweit das Sammelsurium neuer wie runderneuerter Maßnahmen Hand und Fuß hat, und wie sie en Detail zu bewerten sind, wird zu beobachten sein. Manche Ankündigung erschien eher als Drohung, die aufschrecken ließ: Etwa das von Bill Gates auf der Bühne neben Emmanuel Macron angekündigte Programm für Saatgut-Entwicklung, das Kleinbauern und -bäuerinnen helfen soll, sich den Folgen des Klimawandels anzupassen.

Das klang eher nach einem gigantischen Subventionsprogramm für amerikanische Saatgut- und Gentechnik-Konzerne als  nach Hilfe für bedrängte Kleinbauern und -bäuerinnen. Dass sowohl die EU-Kommission als auch Frankreich der Bill & Melinda-Gates-Stiftung das 650-Millionen-Dollar-Programm kofinanzieren wollen, verheißt nichts Gutes (siehe auch hier).

Ökologische Transformation gegen soziale Ungleichheit und Ausgrenzung

Während zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter von Staaten bei diesem Gipfel deutlich sichtbar und hörbar waren, die wegen Dürre, Hochwasser unter anderem bereits Opfer des Klimawandels sind bzw. bald werden, blieb ein Thema doch ausgeblendet: Die Frage, inwieweit eine ökologische Transformation soziale Ungleichheit verschärfen oder idealerweise überwinden könnte, und wie sie grundsätzlich zu mehr Partizipation beitragen kann.

Diese Leerstelle füllte eine Konferenz zu Klima-Solidarität am Tag darauf im Ministerium des Umwelt- und Energieministers Nicolas Hulot, der in Frankreich sehr populär ist. Dort warnte etwa die frühere irische Präsidentin Mary Robinson davor, dass beispielsweise zentralisierte und von finanzstarken Investoren vorgenommene Energiewende-Strategien Ungleichheit und Ausgrenzung verstärken können.

Zumindest in Frankreich zeigt sich eine Mehrheit auch misstrauisch gegenüber solchen Tendenzen: In der bereits angeführten Umfrage sprechen in Bezug auf die Umsetzung der Energiewende mit 78 Prozent der Französinnen und Franzosen Bürger-Kooperativen ihr Vertrauen aus – und nur 48 Prozent den großen Energiekonzernen.

 

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