Wie steht es um die Ökologie in Frankreich? Seit der von Emmanuel Macron beschlossenen Auflösung der Nationalversammlung im Juni 2024 und den vorgezogenen Parlamentswahlen steckt Frankreich in einer tiefen institutionellen Krise. Die Neue Volksfront, eine Koalition linker Parteien, die aus den Wahlen als stärkste Kraft hervorgegangen war, wurde vom Staatschef bei der Regierungsbildung übergangen. Der ernannte Premierminister Michel Barnier gehörte der rechten Partei Les Républicains an, die lediglich 5,41 %[1] der abgegebenen Stimmen erhalten hatte. Knapp drei Monate später wurde er bei der Abstimmung über den Staatshaushalt gestürzt. Der derzeitige Premierminister François Bayrou, Mitglied der Zentrumspartei MODEM, entging – ebenfalls bei der Abstimmung über den Haushalt – vorerst einem Misstrauensvotum.

Wie steht es um die Ökologie in Frankreich? Seit der von Emmanuel Macron beschlossenen Auflösung der Nationalversammlung im Juni 2024 und den vorgezogenen Parlamentswahlen steckt Frankreich in einer tiefen institutionellen Krise. Die Neue Volksfront, eine Koalition linker Parteien, die aus den Wahlen als stärkste Kraft hervorgegangen war, wurde vom Staatschef bei der Regierungsbildung übergangen. Der ernannte Premierminister Michel Barnier gehörte der rechten Partei Les Républicains an, die lediglich 5,41 %[1] der abgegebenen Stimmen erhalten hatte. Knapp drei Monate später wurde er bei der Abstimmung über den Staatshaushalt aus dem Amt entlassen. Der derzeitige Premierminister François Bayrou, Mitglied der Zentrumspartei MODEM, entging – ebenfalls bei der Abstimmung über den Haushalt – vorerst einem Misstrauensvotum.
Welche Rückschritte gibt es in ökologischen Fragen jenseits dieser politischen Seifenoper und angesichts der Tatsache, dass die aktuellen Ereignisse den Herausforderungen von Klima und Biodiversität immer weniger Raum lassen?
Der Haushalt der Regierung Bayrou sieht deutlich weniger Mittel für die Ökologie vor: zwei Milliarden Euro[2] weniger - ein historischer Rückgang. Diese Kürzung wird sich direkt auf eine Reihe von Beihilfen für den ökologischen Wandel auswirken: MaPrimeRénov, die wichtigste staatliche Beihilfe für die Renovierung von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen, den Fonds Vert, ein grüner Fonds zur Beschleunigung des ökologischen Wandels in den Regionen oder auch die Beihilfen für die Elektrifizierung von Fahrzeugen.[3].
Einige Expert*innen und Medien bezeichnen die rückläufigen Mittel und die mangelnde Priorität für ökologische Herausforderungen auf der politischen Agenda als „ökologischen Backlash“.
Schlimmer noch, bestimmte Politiker*innen machen die Ökologie sogar zum Sündenbock. Verschiedene Umweltorganisationen sind Zielscheibe von Desinformationen, die von der Rechten und der extremen Rechten unter dem Vorwand der Haushaltssanierung in Umlauf gebracht werden. Dies belegen die Angriffe auf die staatlichen Umweltagenturen Office Français de la Biodiversité (OFB), ADEME (Agence de la Transition Ecologique), Agence Bio (Agence française pour le développement et la promotion de l'agriculture biologique) und ANSES (Agence de sécurité sanitaire).
Dieser Kreuzzug gegen die mit dem Umweltschutz betrauten Akteur*innen findet in der Regierung ein gewisses Echo. Als Premierminister François Bayrou am 14. Januar den Abgeordneten sein Regierungsprogramm vorstellte, beschuldigte er die Beamt*innen des OFB (Office Français de la Biodiversité), einen „Fehler“ zu begehen, wenn sie die Einhaltung der Umweltvorschriften auf den Bauernhöfen kontrollierten. Dies ist jedoch ihre Aufgabe. Es stellte sich außerdem heraus, dass die wenigen Streitfälle, die es tatsächlich gab, „aufgeblasen“ wurden, um den Anti-Umweltdiskurs zu befeuern, der Anklang bei den Landwirt*innen finden soll.
Das OFB wird regelmäßig von Landwirt*innen angegriffen, die gegen jede Form der Umweltregulierung sind, insbesondere von den Gewerkschaften FNSEA (Fédération nationale des syndicats d'exploitants agricoles, die größte Landwirtschaftsgewerkschaft Frankreichs) und Coordination Rurale (die der rechtsextremen Bewegung nahesteht). Letztere ruft ihre Mitglieder*innen unter anderem dazu auf, „die Fahrzeuge des OFB, die in die Betriebe eindringen, anzuzünden“ (Le Monde).
Eine weitere Agentur, die jetzt im Visier steht, ist die ADEME, die wegen ihrer angeblichen Kosten angeprangert wird - eine direkte Art, die öffentlichen Ausgaben für den ökologischen Wandel infrage zu stellen. Ihr Gesamtbudget ist in der Tat beträchtlich (3,5 Milliarden Euro[4]), besteht jedoch zu 92 % aus öffentlichen Mitteln für den ökologischen Übergang, die direkt an Gebietskörperschaften oder Unternehmen ausgezahlt werden (Fonds für die Dekarbonisierung der Industrie, die Sanierung von Industriebrachen, die Unterstützung der Kreislaufwirtschaft ...). Im Übrigen hob ein Prüfauftrag der Finanzinspektion im Jahr 2024 (der allerdings nicht veröffentlicht wurde) die hervorragende Verwaltung der ADEME hervor ...
Auch die Gesundheitsbehörde ANSES, die für die Zulassung oder das Verbot von Pestiziden (und Medikamenten) zuständig ist, wurde von einigen gewählten Vertreter*innen und eben diesen Landwirt*innenverbänden infrage gestellt.
Die im Jahr 2001 zur Förderung der Bio-Landwirtschaft in Frankreich gegründete Bio-Agentur wäre sogar fast ohne vorherige Konsultation abgeschafft worden[5]. Der Senat stimmte am 17. Januar für einen Änderungsantrag, der ihr Verschwinden besiegelte, um 2,9 Millionen Haushaltsmittel einzusparen und ihre Aufgaben dem Landwirtschaftsministerium zu übertragen. Durch das Hin und Her zwischen den beiden Kammern konnte sie schließlich dank der Mobilisierung einiger Abgeordneter in letzter Minute gerettet werden.
Auch die Umweltverbände sind einem regelrechten Guerillakrieg ausgesetzt. Am 24. Januar belagerte die Coordination Rurale das Haus von François Veillerette, dem Sprecher der Vereinigung Générations Futures. Etwa zwanzig Landwirt*innen mit Traktoren fuhren bis vor sein Haus, um ihn einzuschüchtern. Sie warfen dem Verband seine Positionierung gegen Pestizide und die Veröffentlichung einer Karte der in Frankreich gekauften Pestizide nach Departements vor[6].
Ende Januar 2025 fanden die Wahlen zu den Landwirtschaftskammern statt, bei denen die Coordination rurale mehrere Regionen vor der FNSEA gewann. Beide Gewerkschaften gehen regelmäßig gemeinsam gegen Umweltschutzmaßnahmen vor. Diese Wahlergebnisse spiegeln einen steigenden Zuspruch für die Positionen des Rassemblement National unter den Landwirt*innen wieder, von denen die Mehrheit bislang eher der traditionellen Rechten nahestand. Dies ist ein deutliches Echo auf die Parlamentswahlen im Juli 2024, eine Entwicklung, die eine zusätzliche Gefahr für die Politik des ökologischen Übergangs darstellt.
Auf legislativer Ebene sind mehrere extrem rückwärtsgewandte Texte in Arbeit, insbesondere im Senat, dessen politische Nähe zum Agrarsektor bekannt ist[7].
Bereits in den ersten Monaten des Jahres 2024 hatte die Regierung angesichts der Wut der Landwirt*innen mit erheblichen ökologischen Rückschritten reagiert, wie der Aussetzung (im Februar 2024) des Ecophyto-Plans, der eine Reduzierung des Pestizideinsatzes um 50 % bis 2030 zum Ziel hatte. Dieses war allerdings bereits vor der Aussetzung des Plans in weite Ferne gerückt. Ausnahmen von den Umweltauflagen bei der Vergabe von Subventionen im Rahmen der GAP (Gemeinsame Agrarpolitik) zählten ebenfalls zu den Reaktionen.
Im Februar 2025 wurde ein Gesetz zur Ausrichtung der Landwirtschaft (Loi d'orientation agricole – LOA), das wegen der Auflösung der Nationalversammlung auf Eis lag, verabschiedet - kurz vor der Eröffnung der Landwirtschaftsmesse, einem wichtigen politischen Ereignis in Frankreich. Durch dieses Gesetz werden mehrere Rückschritte verankert: Es begünstigt die Intensivtierhaltung, stellt den Ecophyto-Plan infrage, indem es jeglichen Verzicht auf Pestizide von der Existenz einer nachgewiesenen Alternative abhängig macht, ändert die Hierarchie der Strafen für die Schädigung geschützter Arten und die Beweislast: Wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass die Schädigung absichtlich erfolgt ist, wird sie praktisch nicht bestraft, was die juristischen Klagen der Verbände erschwert. Dank der Mobilisierung von Umweltverbänden[8] wurde das Ziel, bis 2030 21 % der Landwirtschaftsfläche für den ökologischen Anbau zu nutzen, dennoch wieder in den endgültigen Text aufgenommen. Das Gesetz muss nun vom Verfassungsrat geprüft werden.
Das Gesetz „für die Ernährungssouveränität und den Generationswechsel in der Landwirtschaft“ bestätigt ein produktivistisches Modell, das auf die Steigerung der französischen Agrarproduktion und -exporte abzielt. Der Begriff Ernährungssouveränität ist dabei weit von der Definition der Vereinten Nationen entfernt: Die FAO hat ihn als das Recht der Bevölkerung anerkannt, ihre eigenen Agrar- und Ernährungssysteme (und -politiken) zu definieren.[9] Die landwirtschaftliche Produktion wird als „von großem allgemeinem Interesse“ bezeichnet und soll mit Überlegungen zum Umweltschutz und zur öffentlichen Gesundheit konkurrieren dürfen. Dieses intensive Landwirtschaftsmodell, das im Namen der Ernährungssouveränität propagiert wird, geht mit einer starken Abhängigkeit Frankreichs von importierten Stickstoffdüngern aus Russland und Soja aus Südamerika einher, die stark zur Klimaerwärmung beitragen.
Diese Politik ist Teil einer kurzfristigen Vision ohne Überlegungen zu einem nachhaltigen Landwirtschafts- und Ernährungsmodell und wird nur einer Minderheit von Landwirt*innen zugutekommen. Nur eine proaktive Politik, die die Umstellung auf positive landwirtschaftliche Systeme unterstützt, wird es den Landwirt*innen ermöglichen, angemessen von ihrer Arbeit zu leben und sich gleichzeitig an den Klimawandel anzupassen. Ökologie und Landwirtschaft sind keine Gegensätze, sondern können und müssen für die Gesundheit der Ökosysteme und der Menschen zusammenarbeiten.
Ein Gesetzesvorschlag, das „Duplomb“-Gesetz „zur Aufhebung der Einschränkungen für die Ausübung des Landwirtschaftsberufs“, das bei der Wiedereinführung von Pestiziden noch weiter gehen möchte, liegt auf dem Tisch. Es würde ein neonicotinoides Pestizid (Acetamiprid) wieder zulassen, das insbesondere für Bienen sehr giftig ist und vor allem zur Behandlung von Zuckerrüben eingesetzt wird. Es war in Frankreich ab 2018 in mehreren Schritten verboten worden, zuletzt im Jahr 2023 (Ende des Rechts auf Ausnahmeregelungen). Dabei gibt es technische Alternativen zu diesem giftigen Produkt (INRAE). Der Textentwurf enthält weitere ökologische Rückschritte: Er würde es Unternehmen, die Pestizide an Landwirt*innen verkaufen, erlauben, sie zu diesen Substanzen zu beraten, obwohl die Beratung vom Verkauf abgekoppelt worden war. Die Entscheidungen der ANSES, die für die Zulassung bzw. das Verbot von Pestiziden zuständig ist, könnten vom Landwirtschaftsministerium umgangen werden. Außerdem soll das Ausbringen von Pestiziden durch Drohnen unter bestimmten Bedingungen erlaubt werden, und die Vorschriften für den Bau oder die Vergrößerung von Stallgebäuden sollen gelockert werden, wodurch de facto Fabrikfarmen auf Kosten der bäuerlichen Betriebe unterstützt werden. Schließlich erleichtert dieses Gesetz die massive Speicherung von Wasser für die Bewässerungslandwirtschaft in großen, unterirdischen Speichern, den sogenannten Mega-Becken[10], was in Frankreich vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung und dem Wassermangel zu heftigem Widerstand und Spannungen führt. Es bestätigt auch Rückschritte beim Schutz von Feuchtgebieten und ihrer biologischen Vielfalt. Der vom Senat verabschiedete Gesetzesvorschlag Duplomb wird im April auf der Tagesordnung der Nationalversammlung stehen.
Frankreich ist auch von mehreren Gesundheits- und Umweltskandalen betroffen, wie z. B. der Verschmutzung durch PFAS[11] und der Kontamination von abgefülltem Wasser. Im Rahmen einer parlamentarischen Untersuchung finden derzeit Anhörungen im Senat zum Mineralwasserskandal statt. Die gute Nachricht ist, dass das von der grünen Fraktion eingebrachte Gesetz über PFAS am 20. Februar 2025 endgültig verabschiedet wurde. Es sieht vor, die Herstellung und den Verkauf von Industrieprodukten zu verbieten, die diese für die Umwelt und die menschliche Gesundheit toxischen Stoffe enthalten. Dieses Gesetz wurde jedoch aufgrund der starken Lobbyarbeit der Industrie „abgeschwächt“, um zu erreichen, dass antihaftbeschichtete Pfannen und Küchenutensilien ausgenommen werden, obwohl es weniger umweltschädliche und weniger gefährliche Alternativen gibt (Pfannen aus Edelstahl, Stahl oder Gusseisen). Ein weiterer bahnbrechender Fortschritt war, dass das Verwaltungsgericht von Toulouse am 27. Februar 2025 das Projekt der Autobahn Toulouse-Castres (A69) aus Umweltgründen stoppte, nachdem 14 Vereinigungen und Verbände dagegen geklagt hatten. Eine Premiere in Frankreich, auch wenn der Staat beschlossen hat, in Berufung zu gehen und das Bauvorhaben trotz der Gerichtsurteils weiterzuführen.
All dies offenbart sehr deutlich die Einfluss- und Machtspiele der wirtschaftlichen und politischen Akteur*innen in diesem schwierigen politischen Kontext und zeigt, wie wichtig die Mobilisierung der Zivilgesellschaft und der Umweltverbände ist, um Einfluss auf das Kräfteverhältnis zu nehmen. Ebenso unerlässlich ist, die öffentliche Debatte mit verlässlichen, regelmäßigen und für möglichst viele Menschen verständlichen Informationen zu führen. Die Rolle der Journalist*innen bei diesen Herausforderungen ist von entscheidender Bedeutung.
Übersetzung: Angela Eumann, Bearbeitung: Katja Petrovic | Voxeurop
[2] Rose Amélie Becel, Budget 2025: l’écologie, première victime de la réduction des dépenses publiques ?, 06/02/2025
[3] idem
[4] Von den 3,5 Milliarden Haushaltsmitteln entfallen 100 Millionen auf die Lohnkosten der Agentur (ca. 1000 Personen) und 20 Millionen auf ihre Betriebskosten. (Les Echos, 14. Januar 2025, Marie Bellan : https://www.lesechos.fr/politique-societe/societe/environnement-lademe-…)
[7] Jean Grangé, Le poids des campagnes au Sénat. Effets et problèmes de la surreprésentation rurale, 1997, pp. 22-26, .https://www.persee.fr/doc/ecoru_0013-0559_1997_num_237_1_4839
[8] Insbesondere eine Aktion, die von der FNH (Fondation pour la Nature et l'Homme) gemeinsam mit vielen anderen Vereinen initiiert wurde
[9] Die Ernährungssouveränität wurde von der internationalen Landwirt*innenbewegung Via Campesina (1996) eingeführt und ist völkerrechtlich durch die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der Landwirt*innen und anderer in ländlichen Gebieten tätiger Personen (UNDROP) anerkannt und definiert (FAO, im Jahr 2018). Sie umfasst den Zugang zu gesunden Lebensmitteln, die nachhaltig produziert werden und kulturelle Eigenheiten, die Umwelt und andere Länder respektieren.
[10] Die Mega-Becken in der französischen Landgemeinde Sainte-Soline führten im März 2024 zu Protesten von Umweltaktivist*innen vor Ort, die von der Polizei brutal niedergeschlagen wurden, und zu gewalttätigen „Zusammenstößen“ zwischen den Gegner*innen der Mega-Becken und der Polizei führten.
[11] PFAS - per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen - sind eine umfangreiche Gruppe von Industriechemikalien. Obwohl sie bereits globalen Verboten unterliegen, sind sie dennoch in Umwelt und Lebensmitteln vorhanden.