Seinen Aufstieg hat der rechtsextreme Publizist Éric Zemmour vor allem der eigenen medialen Dauerpräsenz zu verdanken. Frankreichs Medien sollten sich mutiger gegen dessen polemische Töne auflehnen und ihn auch mal ignorieren.
Frankreich hat in den letzten Monaten den Einzug von Eric Zemmour in die politische Arena miterlebt, der schon seit Jahren seine rassistischen und diskriminierenden Analysen zum Zustand des Landes in der französischen Presse von sich gibt. Zemmour, ein rechtsextremer Präsidentschaftskandidat, der an die Verschwörungstheorie vom „Großen Austausch“ glaubt, nach der die Elite die weiße Mehrheitsgesellschaft gegen Einwanderer, vor allem muslimische, ersetzen wolle. Zemmour, ein rechtsextremer Präsidentschaftskandidat, der in den Medien als Fürsprecher des Vichy-Regimes aufritt, das während der deutschen Besatzung mit den Nationalsozialisten kollaborierte. Ein Kandidat schließlich, der die Schuld an jedem denkbaren gesellschaftlichen Übel im Islam verortet, den Vornamen Mohammed verbieten lassen will und wegen Anstiftung zum Rassenhass bereits mehrfach verurteilt wurde.
Wie aber konnte ein Mann, der vor wenigen Wochen noch nicht offiziell für das Präsidentenamt kandidiert hat und noch kein politisches Amt innehatte, sich innerhalb so kurzer Zeit in der politischen Landschaft einen Platz erobern? Einen Platz, der ihm laut Umfragen gar um die 12% der Stimmen einbringen könnte?
Eine zweifelhafte Rolle bei der Verbreitung seiner Ideen spielen die Medien, allen voran CNews der Haus- und Hofsender Zemmours, in den Händen des Industriellen Vincent Bolloré. Zur besten Sendezeit, zunächst am Samstagabend, später dann in einer täglichen Nachrichtensendung, konnte Zemmour sich in den letzten Jahren erst im öffentlich-rechtlichen, dann im Privatfernsehen den Ruf erwerben, unbequeme Wahrheiten zu benennen, den Finger in die Wunde zu legen, sicher reaktionär, aber nur zum vermeintlichen Wohle Frankreichs. Dauerpräsent, nie um polemische Formulierungen verlegen und vor allem, stets am Rand zu Hetze und Aufruhr. CNews hat sich auch wegen Zemmour zu einer französischen Version von Fox entwickelt, umso schriller, umso lauter klingeln die Kassen im Hause Bolloré. Mit der Fusion von Medienhäusern, Verlagen und Sendern wird der Einfluss des Industriellen immer größer. Auch wenn Zemmour als Präsidentschaftskandidat aufgrund der reglementierten Redezeitverhältnisse im Fernsehen nicht mehr als vermeintlich einfacher Publizist auftreten darf, so bleibt er doch rund um die Uhr omnipräsent und damit auch seine Ideen. Die französische Journalistengewerkschaft Syndicat National des journalistes (SNJ) beklagte auf ihrem Jahreskongress im September 2021 bereits die "zemmourisation" des Wahlkampfes, also die Tatsache, dass Zemmour die Themen und Agenda der Medien stark prägen würde. Der Tag, an dem er seine Kandidatur verkündete, war jener, an dem der Leichnam des schwarzen Tanzstars der zwanziger Jahre und späteren Résistance-Kämpferin Joséphine Baker ins Panthéon überführt wurde. Doch Zemmour ließ nichts unversucht, die Medienaufmerksamkeit zu kapern, was sich auch als symbolische Kampfansage gegen die Realität des vielfältigen Frankreichs verstehen lässt.
Zemmour blickt von den Magazincovern, er überflutet die sozialen Medien, er beherrscht die schrillen Töne, die dort für Klicks sorgen und sorgt mit dauernden Tabubrüchen für Medienaufmerksamkeit. Während Einwanderung, innere Sicherheit und Islam die Schlagzeilen beherrschen, geraten die wirklich wichtigen Zukunftsthemen wie Klimaschutz, die Zukunft des Sozialstaats oder der prekäre Zustand des Gesundheitswesens ins Hintertreffen. Stattdessen werden nun auch andere Kandidaten und Kandidatinnen in Interviews danach gefragt, was typisch französisch sei, wie wichtig sie die nationale Identität nehmen und wie sie zu Gänseleberpastete oder halal stehen. Dabei kommt gerade den etablierten Medien in den kommenden Wochen eine so wichtige Rolle zu. Sie müssten als Korrektiv dienen, nicht nur um inhaltliche Widersprüche zu entlarven, sondern auch, um die Themen wieder in eine ausgewogene Gewichtung zu bringen. Umso mehr angesichts des für Frankreich neuen Phänomens eines Kampagnenmediums wie CNews, welches tagtäglich den drohenden Untergang Frankreichs an die Wand malt und rechtsextremer Hetze und Fake News eine Bühne bietet.