Zweite Runde der Kommunalwahlen in Frankreich: Wie grün kann es werden?

Analyse

Noch nie gab es Kommunalwahlen unter Bedingungen wie in diesem Jahr in Frankreich. Sie sind außergewöhnlich aufgrund der Folgen der Pandemie: Der erste Wahlgang fand einen Tag vor der Ankündigung der Lockdown-Maßnahmen statt. Obwohl die Regierung noch bis kurz davor zögerte, musste der der für den 22. März angesetzte zweite Wahlgang schließlich verschoben werden. Er soll jetzt am 28. Juni 2020 stattfinden. Außergewöhnlich waren auch  die Ergebnisse des ersten Durchgangs, insbesondere die hohe Wahlenthaltung, ausgelöst durch die Sorge vor dem Coronavirus. Was sind die wichtigsten Schlussfolgerungen, die aus dem ersten Wahlgang gezogen werden können – und was ist nun für den zweiten Wahlgang zu erwarten?

Bureau de vote pour les élections municipales 2020 à Saint-Lô

Hohe Wahlenthaltung und erfolgreiche Grüne beim ersten Durchgang

Traditionell sind die landesweit stattfindenden Kommunalwahlen in Frankreich keine rein lokalen Ereignisse, sondern eine wichtige Zäsur auch für die nationale Ebene. Gewählt wird in mehr als 35.000 Gemeinden und es handelt sich um ebenso viele lokale Kampagnen zur Wahl von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern; den politischen Persönlichkeiten, denen die Franzosen das meiste Vertrauen entgegenbringen: Laut CEVIPOF[1] haben 74% der Franzosen Vertrauen in ihren Bürgermeister oder ihre Bürgermeisterin, während weniger als 40% ihrem Abgeordneten oder Senator vertrauen.

Der eindeutige Gewinner: Die Wahlenthaltung

Üblicherweise ist bei Kommunalwahlen die Beteiligung relativ hoch. Der erste Wahlgang der Kommunalwahlen vom 15. März 2020 zeichnete sich jedoch durch eine sehr hohe Wahlenthaltung aus (über 54,5 %), offenkundig aufgrund der Sorge vor dem Covid-19-Virus: Laut einer Umfrage des IFOP-Institutes[2] war für 55 % der Nichtwählerinnen und Nichtwähler die Entwicklung der Epidemie ausschlaggebend für die Entscheidung, nicht in die Wahllokale  zu gehen. Auffallend ist die Tatsache, dass, obwohl man denken könnte, dass ältere Menschen - die dem Coronavirus-Risiko stärker ausgesetzt sind und denen der Präsident der Republik in einer Rede am Donnerstag vor den Wahlen empfohlen hatte, besser zu Hause zu bleiben - weniger wählen gegangen wären, war die Wahlenthaltung letztlich bei den unter 35-Jährigen höher. Auffallend ist auch, dass die Wähler aus dem rechten politischen Spektrum und aus dem Zentrum mehr zur Wahl gingen als die Wähler aus dem linken Spektrum und den Grünen: Mehr als 60% der Wähler, die sich nah der Grünen Partei Europe Écologie-Les Verts (EELV) fühlen, wählten diesmal nicht - gegenüber 46% der Wähler von La République en Marche (LREM) und 43% der Wähler der Republikaner (LR).

Die etablierten Parteien behaupten sich gegenüber LREM, die lokal nicht verwurzelt ist

Am Abend des ersten Wahlgangs wurden fast 30.000 Gemeinderäte gewählt, vor allem in Gemeinden mit weniger als 30.000 Einwohnern: 61% der Franzosen brauchen am 28. Juni nicht erneut zur Wahl zu gehen. In den meisten der kleinen Gemeinden gibt es sind die scheidenden Amsträger und -trägerinnen stark begünstigt: fast 21.000 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wurden wiedergewählt.

Trotz der stärkeren Mobilisierung der Wähler von LREM scheiterte die Partei von Emmanuel Macron bei seinem Versuch, sich auf lokaler Ebene zu etablieren. Das - ohnehin nicht ehrgeizige - Ziel, 10.000 LREM-Gemeinderäte (von 500.000) zu erreichen, ist kaum zu erreichen. Und während die Partei im Jahr 2018 ihre Absicht von Wahlerfolgen in Großstädten, insbesondere in den kommunalen Bastionen des linken politischen Spektrums, sehr deutlich machte, scheiterte sie in der ersten Wahlrunde in vielen Kommunen und landete an dritter Stelle. In Lyon oder Paris, wo die Kampagne jeweils katastrophal verlief, war das ein schwerer Schlag. Die Polarisierungsstrategie von LREM, die versuchte, ein Duell gegen den Rassemblement National und Marine Le Pen durchzusetzen, funktionierte im Rahmen dieser 35.000 lokalen Wahlen in keinster Weise.

In der Tat sind die LREM-Listen weitgehend von den traditionellen Parteien überholt worden, die sich erstaunlich gut behaupten konnten - auch wenn viele Kandidaten es vorgezogen haben, ihr Parteietikett nicht offen zur Schau zu stellen. Die Sozialisten (PS), die nach dem Misserfolg bei den Europawahlen bereits als Vergangenheit galten, konnten sich etwas erholen. Sie schnitten deutlich besser ab, als erwartet, während die konservativen Republikaner sich gegen die LREM-Kandidaten durchsetzen konnten - oder dank ihnen einen Sieg erzielten.

Rassemblement National: Kein Siegeszug aber klare Wiederwahl

Der Erfolg des Rassemblement National (RN) scheint seinerseits viel begrenzter zu sein als erwartet - während Marine Le Pen mehrere Dutzend Städte erobern wollte, scheint es, dass der einzige nennenswerte Erfolg die südfranzösische Stadt Perpignan sein könnte. Dennoch gelang es der rechtsextremen Partei recht gut, sich in den Gebieten, die sie 2014 erobert hatte, zu halten und dort sogar stärker zu werden. In Hénin-Beaumont wurde der Bürgermeister nach 6 Jahren im Amt, gepaart mit einer besonders aggressiven Machtausübung gegenüber jeglicher Opposition, auch aufgrund der hohen Stimmenthaltungen im ersten Wahlgang mit 74% wiedergewählt zu werden. Aber das besondere Merkmal dieser Wahl im Unterschied zu 2014, wo es die Erfolge der Rechtsextremen waren, sind vor allem die Rekordergebnisse der Grünen.

Ein grüner Siegeszug – dessen Bestätigung jetzt noch aussteht

In der Tat scheinen diese den großen Erfolg der Europawahlen fortzusetzen und in vielen Kommunen einen echten Schub zu erleben. Während sie auf nationaler Ebene mit La France Insoumise konkurrieren müssen, ist letztere bei diesen Wahlen weitgehend nicht eigenständig angetreten: Die Partei von Jean-Luc Mélenchon hat sich dafür entschieden, von Fall zu Fall linke Listen oder BürgerInnenlisten zu unterstützen, anstatt mit eigenen Listen anzutreten.

Europe Écologie – Les Verts setzte je nach lokalem Kontext auf unterschiedliche Strategien: Eine autonome Liste in den meisten Kommunen, eine mehr oder weniger breit aufgestellte gemeinsame linke Liste in anderen Fällen und die Unterstützung grünennaher BürgerInnenlisten in einigen wenigen Kommunen. In Städten mit mehr als 30.000 Einwohnern, in denen sie an der Spitze einer Grünen- oder einer gemeinsamen Liste standen, erhielt die Partei durchschnittlich 16,4% der Stimmen[3]. Besser noch, in mehreren Großstädten stehen die von Grünen geführten Listen an erster Stelle: in Lyon (wo Grégory Doucet an der Spitze einer autonomen Liste mit 28,5 % weit vor der vom ehemaligen Innenminister Gérard Collomb unterstützten Liste mit 15 % liegt), in Straßburg (wo Jeanne Barseghian an der Spitze einer gemeinsamen Liste mit La France Insoumise 27,87 % erreicht) oder in Besançon (Anne Vignot an der Spitze einer gemeinsamen Liste erreicht 31,2 %). In Grenoble scheiterte der scheidende grüne Bürgermeister Éric Piolle im ersten Wahlgang mit 46,67 % der Stimmen knapp an der Wiederwahl. In anderen französischen Großstädten belegten die Grünen den zweiten Platz mit sehr guten Werten über der 20 % Marke: in Rennes (25,4 %), Lille (24,5%), Metz (25 %), Rouen (23,2 %), Bordeaux (34,4 %, einige Dutzend Stimmen hinter dem scheidenden Bürgermeister Nicolas Florian), Toulouse (27,5 %), Annecy (27,9 %), Caen (25,6 %) und Mulhouse (21,9 %), oder auch an dritter Stelle mit guten Ergebnissen (19,6 % in Nantes). In Paris gelang es David Belliard, das Ergebnis der Grünen auf 10,9 Prozent zu verbessern, er konnte aber nicht mit der sozialistischen Bürgermeisterin Anne Hidalgo konkurrieren - eine Enttäuschung, die insbesondere mit der in den letzten Jahren konsequent grün ausgerichteten Politik Amtsinhaberin zu erklären ist.

Diese Ergebnisse spiegeln eine echte Veränderung der französischen Gesellschaft wider: Die Mobilisierungen bei Demonstrationen und Online für das Klima, das Bewusstsein für die Auswirkungen des Klimawandels in den Großstädten und die wachsende Sichtbarkeit ökologischer Themen in den Medien haben dazu beigetragen. Während diese guten Ergebnisse jedoch vor allem in den größeren, weltoffenen Metropolen zu beobachten sind, in denen die Wählerschaft stärker für Umweltfragen sensibilisiert ist, so sind sie, wie Simon Persico und Florent Gougou in einer Studie der Fondation de l'Écologie Politique betonen, auch in mittelgroßen Städten - Annecy, Besançon, Metz, Caen, Tours - festzustellen, in denen Grüne und Linksbündnis-Listen auf dem ersten Platz landeten. Das zeigt deutlich: Die Grünen werden in Frankreich als echte politische Alternative wahrgenommen - zumindest auf lokaler Ebene.

Der Coronavirus und seine Folgen: Die Grünen im zweiten Durchgang

Dreieinhalb Monate nach dem ersten Wahlgang, nach zwei Monaten Lockdown und zum Beginn einer großen Wirtschaftskrise sind die Rahmenbedingungen für den zweiten Durchgang, der nach langem Zögern der Regierung auf den 28. Juni verschoben wurde, an und für sich bereits ziemlich ungewöhnlich. In den letzten Tagen vor der offiziellen Einreichung der Listen für die zweite Runde am 2. Juni haben in vielen Gemeinden mit mehr als 1000 Einwohnern harte Verhandlungen stattgefunden: In diesen Gemeinden muss für jede Liste, die in der ersten Runde 10 % überschritten hat, die Wahl getroffen werden, ob sie bestehen bleiben, sich zurückziehen oder mit einer anderen Liste fusionieren will. Die Herausforderung besteht darin, den ersten Platz zu erlangen, was der erstplatzierten Liste einen "Mehrheitsbonus" bietet und ihr 50 % der Sitze sichert (siehe auch weiter unten: Erklärung zum Wahlsystem der Kommunalwahlen in Frankreich).

LREM: Weder links noch links?

Die Herausforderung für die Macron-Regierung besteht darin, den Einbruch nach einer Krise, deren Bewältigung von der Opposition heftig kritisiert wurde, und angesichts des starken Misstrauens der Bevölkerung, zu begrenzen. Auch wenn die ausschlaggebenden Faktoren der Abstimmung vor allem lokaler Natur sind, wird der nationale Kontext unbestreitbar einen großen Einfluss haben. Von den teilweise wiedererwachten Sozialisten auf ihrer Linken überholt, hat sich LREM entschlossen, in mehreren Großstädten eine Strategie von Bündnissen mit den konservativen Republikanern einzuschlagen: Diese Entscheidung wurde etwa in Lyon getroffen, wo Gérard Collomb, ehemaliger Sozialist und ehemaliger Innenminister Macrons, beschloss, sich der republikanischen Liste anzuschließen, um "die Grünen aufzuhalten“ - eine Entscheidung und ein Motiv, das von den nationalen LREM-Gremien heftig kritisiert wurde, da die Regierung derzeit versucht, ihre eigene Kommunikation zu begrünen und eine ökologische "Welt danach" zu versprechen. Diese Linie wird auch in Bordeaux und Straßburg verfolgt, wo sich der LREM-Kandidat Alain Fontanel mit dem LR-Kandidaten Jean-Philippe Vetter zusammengetan hat - eine der wichtigsten Maßnahmen ist die Wiedereröffnung der Fahrspuren für den Autoverkehr im Zentrum von Straßburg. In den Schlüsselkommunen dieser zweiten Runde gab es wenige oder gar keine Bündnisse mit dem linken Spektrum, außer in Annecy, wo der Kandidat der Dissidenten LREM auf der linken Gewerkschaftsliste auftrat - während die Partei offiziell den Kandidaten auf der rechten Liste unterstützt.

Es gibt also keine ehrgeizigen Vorschläge und begrünte Reden mehr, um eine umweltpolitisch interessierte Wählerschaft zu erreichen: Es geht jetzt darum, konservative Stimmen gegen politische Kräfte aus dem linken Spektrum zu mobilisieren, die sich nun erstmals oft um die Grünen scharen, auch wenn dies bedeutet, die eigene Linie zu erweitern und, wie Gérard Collomb in Lyon oder Jean-Luc Moudenc in Toulouse, auf die "Gefahr" aufmerksam zu machen, die "extreme Linke" oder die "Amateur-Grünen" an die Macht kommen zu lassen, und auf die Notwendigkeit, "das zu verhindern" - ein Ausdruck, der sonst eher gegen die extreme Rechte verwendet wird.

Die Grünen – die neue führende Kraft im linken Spektrum?

Nach seiner gewonnenen Wahl von 2014 in Grenoble ist Bürgermeister Éric Piolle nun in einer sehr guten Ausgangsposition, um die zweite Runde zu gewinnen. Auch sind die Grünen diesmal in der Lage, mit grünen und linken gemeinsamen Listen in mehreren Großstädten gewinnen zu können. Sie sind in vielen Kommunen zur entscheidenden Kraft für eine linke Mehrheit geworden.

In Nantes, Rennes und Paris wurde ein klassisches Schema angewandt, bei dem die Grünen Listen, die hinter den scheidenden sozialistischen Bürgermeistern abschnitten, ihr Bündnis mit ihnen erneuert haben, um den Sieg zu sichern - ein Sieg, der in Nantes und Rennes fast sicher und in Paris wahrscheinlich ist. In Marseille schlossen sich die Grünen der sozialistischen Liste an, die in der ersten Runde den ersten Platz belegte, und gibt jetzt der Linken eine goldene Gelegenheit, die "Cité phocéenne" zu erobern, die seit 1995 in den Händen der Republikanern ist.

In Lyon, Besançon und Tours, wo sie an der Spitze stehen, haben die Grünen Bündnisse mit den anderen linksorientierten Kräften geschlossen und sind in einer guten Ausgangsposition, um am Abend des 28. Juni zu gewinnen. In Toulouse schloss sich die von den Sozialisten angeführte linke Liste (18,5%) der von Antoine Maurice (27,6%) geführten BürgerInnen- und Grüne-Liste an, jedoch ohne ihre Spitzenkandidatin Nadia Pellefigue, die die Präsidentschaft der Metropole anstrebte[4] - eine Forderung, die von Grüner Seite zurückgewiesen wurde.

In anderen Kommunen wird das Starke Abschneiden der Grünen von den dort oft seit langem regierenden Sozialisten nicht gut verdaut, die sich nur schwer damit abfinden können, einer Partei nachzugeben, die sie bisher oft als Stellvertreterin betrachtet haben. In Lille, wo die Grünen hinter der scheidenden Bürgermeisterin Martine Aubry, einer zentralen Figur der Sozialisten, abschnitten, sind die Verhandlungen gescheitert, da letztere sich weigerte, die Anzahl der Listenplätze, die traditionell unter Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vergeben werden, zuzugestehen. In Straßburg, wo linksorientierte Kräfte und Grüne eine große Change hatten, die Stadt zurückzuerobern, endeten die Fusionsverhandlungen ebenfalls mit einem Misserfolg - die Grünen weigerten sich, die Präsidentschaft der Metropole an die sozialistische Kandidatin Catherine Trautmann abzutreten, und beurteilten diese Forderung als unverhältnismäßig im Vergleich zu der von den Sozialisten erzielten Ergebnisse (19,78% gegenüber 27,87% für die Kandidatin der Grünen). 

Diese Schwierigkeiten in so wichtigen Städten Bündnisse zu bilden und damit gemeinsam gewinnen zu können, zeigen, dass die Sozialisten und Grüne zwar auf nationaler Ebene deutlich gemacht haben, bei den Kommunalwahlen zusammenarbeiten zu wollen, dass es aber für die lokalen Barone der Sozialistischen Partei immer noch schwer zu akzeptieren ist, jetzt "Juniorpartner" der Grünen zu werden. Dies ist auch auf das Abstimmungssystem zurückzuführen, dass die für den zweiten Wahlgang qualifizierten Listen dazu ermutigt, einen Block zu bilden, der in der Lage ist, sich an die Spitze zu setzen, um den Mehrheitsbonus zu erhalten - auch wenn es bedeutet, darauf zu wetten, es alleine schaffen zu können, um sich nicht mit einer anderen politischen Kraft auseinandersetzen zu müssen.

28. Juni : ein wichtiger Test für den linken Spektrum und die Grünen

Der Wahlkampf für diese zweite Runde, die - sofern kein neuer Gesundheitsnotstand ausgerufen wird - am 28. Juni stattfinden wird, findet nun unter besonderen Bedingungen statt. Ein normaler Wahlkampf wird bislang noch kaum möglich sein. Emmanuel Macron hat bereits angekündigt, dass er nach diesen Kommunalwahlen Konsequenzen ziehen wird – mit entsprechenden Ankündigungen von seiner Seite wird in den Wochen danach gerechnet. Erwartet werden etwa eine Regierungsumbildung. Diese Wahlen werden auch weiteren Aufschluss geben, wie die Neuformierung des französischen Parteiensystems weitergehen wird, insbesondere im linken politischen Spektrum. Zudem sind diese Kommunalwahlen ein wichtiger Test, um den Erfolg einer Zusammenarbeit der politischen Kräfte im linken Spektrum und der Grünen auszuwerten, die von vielen Seiten gefordert wird - und als nötig gesehen wird, um 2022 überhaupt eine Chance zu haben, die Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Für die Grünen geht es darum, sich der Herausforderung zu stellen und die Rathäuser mehrerer Großstädte zu gewinnen, um auf lokaler Ebene zeigen zu können, dass und wie sie eine klare politische Alternative darstellen - aber auch und vor allem um den möglichen Bündnispartnern im linken Spektrum deutlich zu machen, dass sie in der Lage sind, eine sozial-ökologische Kraft anzuführen.

 

[1] L’Enquête Électorale Française, von Ipsos/Sopra Steria für CEVIPOF,  Fondation Jean Jaurès und Le Monde

[2] Municipales 2020 – Sondage jour du vote : Profil des électeurs et clefs du scrutin (1er tour), 15 . März 2020 –Ifop-Fiducial für CNews und Sud Radio

[3] Florent GOUGOU & Simon PERSICO, La poussée (inachevée) de EELV : leçons tirées du 1er tour des municipales,   Fondation de l’Écologie Politique, 26. mai 2020

[4] Die “Metropole” ist in Frankreich die höchste Stufe der Eingliederung von Gemeinden in einen Gemeindeverband, auf größere Ballungsräume von mindestens 400.000 Einwohnern

 


Die erste Runde

Fall 1: Eine Liste erhält mehr als 50% der Stimmen:
⇒ Sie erhält automatisch den Mehrheitsbonus und 50% der Sitze im Stadtrat.
⇒ Die restlichen 50% der Sitze werden proportional zu den Ergebnissen der ersten Runde verteilt und umfassen auch die Mehrheitsliste.
Fall 2: Keine Liste hat 50% erreicht, es findet eine zweite Runde statt.
 

Die Zwischenrunden

⇒ Listen, die die 10%-Marke überschritten haben, sind für die zweite Runde qualifiziert. Sie können bleiben, sich zurückziehen oder sich mit einer anderen für die zweite Runde qualifizierten Liste zusammenschließen.
⇒ Listen, die die 5%-Marke überschritten haben, können mit anderen für die zweite Runde qualifizierten Listen zusammengelegt werden.
 

Die zweite Runde

⇒ In der zweiten Qualifikationsrunde - in der Regel zwischen 2 und 4 - geht es um den ersten Platz.
⇒ Die ranghöchste Liste erhält automatisch den Mehrheitsbonus und 50% der Sitze im Stadtrat.
⇒ Die restlichen 50% der Sitze werden proportional zu den Ergebnissen der zweiten Runde verteilt und umfassen auch die Mehrheitsliste.
 
Konkretes Beispiel:
In einer Stadt, in der 50 Ratssitze zur Wahl stehen, treten die Listen A, B, C, D, E und F gegeneinander an.
 
1- Erste Runde. Die Ergebnisse sind wie folgt: A: 35 %, B: 30 %, C: 18 %, D: 9 % und E: 4 %, F: 4 %. Die Listen A, B, C sind qualifiziert. Die Listen E und F werden gestrichen. Liste D kann zusammengelegt oder gestrichen werden.
 
2- Zwischenverhandlungen. Die Listen A und B bleiben bestehen, Liste D verschmilzt mit Liste C.
 
3- Zweite Runde. Die Ergebnisse sind : A: 40%, B: 35%, C&D: 25%...
 
4- Verteilung der Sitze. Liste A erhält 50% der Sitze, d.h. 25 Sitze. Die restlichen 25 Sitze werden proportional in der zweiten Runde verteilt: A: 10 Sitze, B: 9 Sitze, C & D: 6 Sitze. Dies ergibt insgesamt 35 von 50 Sitzen für Liste A, 9 für Liste B und 6 für die zusammengelegten C&D-Listen.
 
Diese Art der Abstimmung ermöglicht es also allein der führenden Liste, eine sehr komfortable Mehrheit zu erreichen. Sie schwächt die Opposition stark. Die größte Herausforderung besteht darin, an erster Stelle zu stehen und vor oder nach der ersten Runde stärkere Allianzen als die Gegner aufzubauen.