Fernsehen, Information und Kultur: Wie Giorgia Meloni das Bild des Landes verändert, (um an der Macht zu bleiben)

Analyse

Die italienische Ministerpräsidentin behauptet stets, sie kämpfe gegen die kulturelle Hegemonie der Linken. Tatsächlich versucht sie, öffentliche Medien, Museen und Theater zu beeinflussen mit dem Ziel, die Kontrolle über den kollektiven Diskurs zu übernehmen und ihr eigenes Narrativ durchzusetzen.

La Presidente Meloni alla Galleria Nazionale

Als Giorgia Meloni ihre Anhänger versammelte, um in das Rennen zu starten, das sie zur ersten rechtsextremen Ministerpräsidentin seit Mussolini machen sollte, stand für sie eine Reihe von Pappfiguren. Das war Ende April 2022. Am Eingang des Mailänder Versammlungssaals hatte die Parteichefin eine ganze Reihe von berühmten Personen positioniert, die sie vereinnahmen wollte. Darunter waren die Philosophin Hannah Arendt, der Intellektuelle Pier Paolo Pasolini, Papst Johannes Paul II., sowie die Autoren J.R.R. Tolkien und Fjodor Dostojewski. Es folgte eine Liste von Frauen, denen Giorgia Meloni das Etikett „Patriotinnen” angeheftet hatte: von Anita Garibaldi, der Ehefrau des Risorgimento-Helden, bis zur Pädagogin Maria Montessori. Ein wahrhaftiges Pantheon, das Meloni als Inspiration für ihren Aufstieg an die Regierungsspitze wählte. Schließlich hat sie schon immer behauptet, dass ”nicht nur die Linke eine Kultur” hat. Und vor ihrem Wahlsieg wurde es zu einem ihrer Leitmotive: „Sie [die Linken] behaupten, sie hätten eine kulturelle Hegemonie, dabei haben sie bloß ein Machtsystem, das sie verteidigen wollen. Wir dagegen haben ein anderes Projekt.” Hinter diesen Worten steckt ein ausgeklügelter Plan. Außenpolitisch kann die italienische Ministerpräsidentin in Kriegszeiten nicht von den Entscheidungen ihrer Vorgänger abweichen und auch wirtschaftspolitisch ist ihre geringe Handlungsfreiheit weiterhin eine Tatsache: Der Kulturkampf ist der einzige, den sie ungestört führen kann. Und das heißt, die Kontrolle über den öffentlichen Diskurs zu übernehmen und das Narrativ zu ändern. Vom öffentlichen Fernsehen bis hin zu Museen und Theatern, sogar die italienische Geschichte möchte sie neu interpretieren.

Die Revanche

Meloni hat sich von Anfang an als Außenseiterin inszeniert. Die rechtsextreme Regierungschefin bekleidet heute das vierthöchste Staatsamt, behauptet aber weiterhin, sie werde „unterschätzt”. Sie und ihre Anhänger, die angeblich wegen ihrer politischen Ideen an den Rand gedrängt werden, sind die letzten Erben der faschistischen Partei „Italienische Sozialbewegung”, die fast ein halbes Jahrhundert lang nicht dem Verfassungsbogen, sondern immer der Opposition angehörte und von den restlichen Parteien ausgegrenzt wurde. Jahrelang, so sagen sie, „mussten sie sich verstecken”, während sie jetzt endlich wieder ihre Stimme erheben können. Sich von diesen Fesseln zu befreien ist daher ihr Leitmotiv: Wenn die Rechte bisher von der Welt der Kultur ausgeschlossen war, dann nur aufgrund mangelnder Meritokratie. Eine Strategie, die nicht nur auf Kommunikationsebene funktioniert, sondern die es ihr auch ermöglicht, ihre Anhängerschaft immer weiter auszubauen: Ihre flammenden Reden, extrapoliert und etwas weniger heftig, sind sogar bei der jüngeren Generation angekommen und auf Gehör gestoßen. Auf Tik Tok kursiert eines ihrer griffigsten Zitate: „Ihr werdet uns nie gebeugten Hauptes sehen.” Allem Anschein nach ein Schlachtruf, der ebenso viral gegangen ist wie ihre berühmt gewordene identitäre Rede von 2019 auf einer Kundgebung in Rom („Ich bin Giorgia. Ich bin eine Mutter”). Ihre Gegner haben sie parodiert, um sie zu verspotten, und doch ist dieser Satz zu einem Ohrwurm geworden, der sie überall bekannt gemacht hat. Ein Bumerangeffekt. Meloni selbst rühmt sich in ihrer Autobiografie damit, sie habe sich der "kulturellen Hegemonie, die die progressive Ideologie seit der Nachkriegszeit durchsetzen konnte", widersetzt. Wie ein Schutzwall will sie sich nun gegen diese fantomatische Vorherrschaft stellen.

Fernsehen

Das erste Feld, das Giorgia Meloni zurückerobern wollte, war Italiens öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Rai, deren Leitung seit langem von der Politik kontrolliert wird: Der Geschäftsführer wird vom Finanzministerium ernannt, und der Verwaltungsrat wird vom Parlament, der Regierung und der Mitarbeiterversammlung gewählt. Dabei war es der ehemalige Mitte-Links-Premier Matteo Renzi, der dieses „Spoilssystem” gesetzlich verankert hat. Unmittelbar nach ihrem Amtsantritt begann Meloni damit, ihre engsten Vertrauten an alle wichtigen Schaltstellen zu positionieren. Der erste war Giampaolo Rossi, der neue Generaldirektor, der zuvor als Impfgegner und wegen seiner pro-putinistischen Äußerungen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten war. Im Sinne der traditionellen Postenverteilung ersetzte die Ministerpräsidentin dann alle (oder fast alle) Nachrichtenchefs. So wurde die Hauptnachrichtensendung Tg1 einem parteiexternen Meloni-Freund (Gian Paolo Chiocci) anvertraut. Die Berichterstattung der Nachrichtensendung hat zahlreiche Proteste in der Opposition ausgelöst, die seitdem nur noch von einem Melonisender (TeleMeloni”) spricht.

Dafür gibt es zahlreiche Beispiele: ein gelinde gesagt enthusiastischer Werbespot für das Parteifest von Fratelli d'Italia (FdI), ein Hintergrundbericht, dessen Titel die Europawahl und die Ankündigung eines Wirtschaftsbonus miteinander verknüpft oder eine feierliche Reportage über Melonis Parteijugend Gioventù Nazionale. Hinzu kommen die öffentlichen Auftritte der neuen Führungspersönlichkeiten, wie der von Paolo Corsini, Direktor von Rai Approfondimento (Abteilung für weiterführende crossmediale Berichterstattung), der von der Bühne des letzten FdI-Parteifestes aus seine politische Zugehörigkeit verkündete („Wir von FdI”) und die PD-Chefin Elly Schlein angriff. Die Veränderungen waren auch in den Programmen selbst drastisch spürbar: Einer nach dem anderen mussten alle langjährigen Moderatoren gehen, die schon immer als mitte-links galten, etwa Fabio Fazio, der eine sehr erfolgreiche Sonntagssendung auf Rai 3 moderierte. Er wechselte mittlerweile samt seinen lukrativen Werbeverträgen zum privaten Fernsehsender NOVE und macht der Rai mit Rekordeinschaltquoten Konkurrenz. Ebenfalls nicht übernommen wurden der Intellektuelle Corrado Augias, der mehrfach mit der Rechten aneinandergeraten war, die Journalistin Lucia Annunziata (aktuelle Kandidatin der PD bei den Europawahlen) und Bianca Berlinguer, Tochter des bedeutenden Vorsitzenden der kommunistischen Partei, die ihre Sendung nun bei Mediaset, dem Sender der Familie Berlusconi, moderiert. Doch es sind nicht nur viele bekannte Gesichter gegangen, sondern auch neue gekommen, darunter etwa der Schauspieler Pino Insegno, der keine Gelegenheit auslässt, an seine Freundschaft mit Meloni zu erinnern. Er sorgte für Aufsehen, weil seine Sendung so schlecht lief, dass er sich sehr schnell anderen Projekten zuwenden musste. Für Schlagzeilen sorgte auch die Rückkehr von Marcello Foa, dem ehemaligen Präsidenten der Rai, der sich als Souveränist outete (er schrieb in seinem Blog, dass „die Souveränisten Recht haben”[1]). Er moderierte eine Sendung auf Radio 1, die durch den Gastauftritt eines Arztes, der Impfgegner ist, von dem sich der Sender mittlerweile distanzierte, eine heftige Kontroverse auslöste. Und dann wäre da noch das neue Unterhaltungsangebot: gesendet wurde ein Fernsehfilm über den Sturz Mussolinis im Jahr 1943, ein weiterer über den faschistischen Erfinder Guglielmo Marconi und eine Sonderfolge über den von den Rechten geliebten Dichter Gabriele D'Annunzio. Fazit: genau wie ihre Vorgänger wollte Meloni die Rai vereinnehmen und genauso rechtfertigt sie ihr Vorgehen auch – so war es schon immer, sagt sie. „Nach den Jahren, in denen ich als Opposition das Nachsehen hatte, rückt die öffentlich-rechtliche Rundfunk-und Fernsehanstalt wieder ins Gleichgewicht ”, erklärt sie und erinnert daran, dass ihre Partei während der Draghi-Regierung nicht im Rai-Verwaltungsrat vertreten war. Doch seit ihrer Amtseinführung gibt es zahlreiche Beispiele der Einmischung, die an Zeiten von Berlusconi erinnern. So werden investigative Journalisten unter Druck gesetzt, und der Kulturminister intervenierte persönlich, nachdem eine der FdI-nahestehende Dirigentin parodiert wurde. Und das ist noch nicht alles: Zum ersten Mal wurde eine rechtsgerichtete Arbeitnehmergewerkschaft gegründet, die sich gegen die langjährige Journalistengewerkschaft der Rai USIGRai[2] stellt - eine der wenigen, die die Unabhängigkeit des Unternehmens von der Politik fordert. Es deutet also alles auf eine regelrechte Besetzung der Rai hin. Das gab bereits im Februar 2023 der Staatssekretär für Kultur, Gianmarco Mazzi, zu: „Es ist durchaus richtig, das Narrativ des Landes zu ändern.” [3]

 

Convention FdI: nel “pantheon conservatore” Tolkien, Pasolini e Giovanni Paolo II

Museen und Theater

Eine weitere Front, an der Meloni für tiefgreifende Veränderungen sorgte, ist die der kulturellen Einrichtungen. Anfang 2024 wurden die neuen Direktoren der wichtigsten Museen (von den Uffizien in Florenz bis zur Pinacoteca di Brera in Mailand) offiziell bekannt gegeben, was für Unmut sorgte: Die sieben beim letzten Auswahlverfahren ernannten ausländischen Direktoren wurden allesamt entlassen. Um dies zu rechtfertigen, hatte der frisch ernannte Kulturminister Gennaro Sangiuliano, ein Journalist, der von der Leitung der RAI-Nachrichtensendung Tg 2 direkt in die Regierung gewechselt war, kurzum ein neues Auswahlverfahren eingeführt. Demnach mussten die Kandidaten ein Mindestniveau an Italienischkenntnissen (B2) aufweisen. Die Auswahlkommission bestand ferner aus fünf Mitgliedern, darunter nur eine Kunsthistorikerin und zwei Ministerialbeamte, die wegen ihrer Beamtenrolle als leicht beeinflussbar galten. Fazit: unter den neuernannten Direktoren ist kein einziger Ausländer, und die Regierung macht keinen Hehl aus ihrer Freude.

Für Diskussionen sorgte auch die Wahl der neuen Theaterdirektoren. Am Teatro di Roma zum Beispiel versuchten die neu gewählten rechten Vorstandsmitglieder, ihren eigenen Direktor per „Staatsstreich” durchzusetzen. Die Situation beruhigte sich erst, als die Möglichkeit einer Doppelspitze bestehend aus einem künstlerischem Leiter und einem Generaldirektor beschlossen wurde.[4] Meloni warf der Linken „Vetternwirtschaft” vor: „Die Zeiten sind vorbei, als nur Parteimitglieder etwas erreichen konnten.” Doch was sich zunächst wie eine Revolution anhört, ist in Wirklichkeit nichts als eine Machtaufteilung – die übrigens nicht einmal reibungslos vonstattenging, wie der Fall des Theaters San Carlo in Neapel zeigt. Den Direktorposten hatte die Regierung dem ehemaligen Rai-Chef Carlo Fuortes versprochen, weswegen ein Gesetzesdekret erlassen wurde, das für Leiter von Opernstiftungen ein Rentenalter von 70 Jahren einführte: Ausgerechnet der Leiter des San Carlo-Theaters, der Franzose Stéphane Lissner, wäre als Einziger von diesem Dekret betroffen gewesen. Doch legte dieser Berufung gegen das Ad-Personam-Dekret ein, und das Gericht ordnete seine Wiedereinstellung[5] an. Doch das Ministerium ließ nicht locker, und innerhalb weniger Monate verschaffte es Fuortes eine Stelle als Leiter des Opernfestivals Maggio Musicale Fiorentino.

Im Kampf gegen die Hegemonie der anderen bleibt es jedoch nicht bei der Neubesetzung von Führungspositionen. Sangiuliano zieht alle Register, um eine neue Kultur zu verbreiten. So eröffnete er im November in Rom eine Ausstellung über J.R.R. Tolkien (Der Herr der Ringe), der zu Melonis Lieblingsautoren zählt. Die Ministerpräsidentin fand sogar die Zeit, die Ausstellung persönlich zu besuchen. Die Rechtsextremen sind der Meinung, Tolkien schildere den Gegensatz zwischen „der alten Welt und der neuen Welt”, wobei er „das Menschliche” hervorhebt. Aus diesem Grund steht er nun quasi im Pantheon der neuen Machthaber, und Sangiuliano wollte ihm unbedingt diese von seinem Ministerium finanzierte Ausstellung in der Hauptstadt widmen. Der Minister behauptet stets, sein Ziel sei es, „die Kultur zu befreien” und keineswegs die Linke gegen die Rechte auszuspielen. Im Januar ging er sogar so weit zu behaupten, Dante Alighieri sei „der Begründer des rechten Denkens in Italien.” Dafür erntete er viel Spott und wollte dann lieber nicht mehr darüber sprechen. „Die Rechte hat sehr wohl ihre Kultur“, sagte er, „sie muss sie nur durchsetzen.”

Die Geschichte

Es gibt noch eine weitere Front, an der die italienische Ministerpräsidentin ihren Kulturkampf führt. Eine Front, die nicht weniger sichtbar, aber schwieriger zu begreifen ist. Es handelt sich um den Versuch der extremen Rechten, gemeinsame Werte und historische Wahrheiten infrage zu stellen und ihnen ein neues Narrativ entgegenzustellen. Das geschieht etwa, wenn Giorgia Meloni am Tag des Gedenkens an den Anschlag von Bologna[6] der Toten gedenkt, ohne dabei zu erwähnen, dass Neofaschisten dafür verantwortlich waren, obwohl dies in den Prozessen klar nachgewiesen werden konnte. Dasselbe tut sie, wenn sie sich am 25. April – dem Gedenktag an die Befreiung Italiens vom Nazi-Faschismus – darauf beschränkt, die „Nostalgie des Faschismus“ zu bestreiten und gleichzeitig dazu aufruft, die „nationale Harmonie“ zu feiern, ohne sich jemals als antifaschistisch zu bezeichnen. Ein weiterer kleiner Versuch, die Stimmung und das Nationalgefühl im Land zu ändern und die Geschichte Italiens teilweise zu revidieren.

Ein weiteres Beispiel dafür ist der Kampf gegen die Mafia: Meloni hat stets betont, dass das Massaker in der Via d'Amelio, bei dem der Richter Paolo Borsellino getötet wurde, der Auslöser für ihr politisches Engagement gewesen sei. Paolo Borsellino, bekanntlich ein Anhänger der neofaschistischen „italienischen Sozialbewegung”, wurde am 19. Juli 1992 ermordet, 57 Tage nach dem Mord an seinem Freund und Kollegen Giovanni Falcone. Beide sind Symbole des Kampfes gegen die Mafia, und ihr gemeinsames Foto ist ein Manifest für die Rechtsstaatlichkeit im ganzen Land. Dennoch erinnern sich Meloni und ihre Anhänger lieber an Borsellino als an Falcone, der von den politischen Positionen der Rechten weit entfernt war.

Dass sich Giorgia Meloni als Vertreterin des rechten Lagers zur Mafiabekämpfung bekennt, stellt nach dreißig Jahren Silvio Berlusconi, dessen rechte Hand Marcello Dell'Utri wegen Beteiligung an einer mafiaartigen kriminellen Vereinigung[7] verurteilt wurde, zwar immer noch eine Neuigkeit dar, doch es reicht nicht aus: Auch Familienmitglieder von Clan-Opfern kritisierten Melonis Haltung zur Mafia. Etwa sagte Salvatore Borsellino, Bruder von Paolo: „Meloni zerstört die Gesetze, die der Justiz die Waffen zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens in die Hand gegeben haben.

Doch hat es die Ministerpräsidentin nicht nur auf die Gesetze abgesehen. Das belegt schon ihre Wahl der Vorsitzenden der wichtigen parlamentarischen Anti-Mafia-Kommission: Chiara Colosimo. Ihr wird vorgeworfen, sie stünde Luigi Ciavardini nahe, einem Ex-Terroristen der neofaschistischen Gruppierung Nuclei Armati Rivoluzionari, der bereits zu 30 Jahren Haft für den Anschlag von Bologna verurteilt wurde. Ein Schritt, der für die Opposition „gelinde gesagt unangemessen” ist. Es geht Meloni vielmehr darum, ihre eigenen Leute in Spitzenpositionen zu bringen und das Narrativ dadurch radikal zu verändern, selbst wenn es um die Bekämpfung krimineller Organisationen geht.

Rechte

Apropos öffentliches Narrativ: Die italienische Ministerpräsidentin lässt keine Gelegenheit aus, um ihre Rolle als Frau und Mutter zu betonen und sich als Verfechterin der traditionellen Familie darzustellen. So drängt sie auf ein Gesetz, das die Leihmutterschaft zu einem „universellen Verbrechen“ machen soll, sodass italienische Staatsbürger auch im Ausland strafrechtlich verfolgbar sind: In Italien ist sie bereits illegal, aber es ist rechtlich nicht möglich, ein grenzüberschreitendes Strafgesetz zu schaffen. Es handelt sich also um reine Propaganda. Gerade bei den Kämpfen für mehr Frauenrechte hat Meloni Schwierigkeiten, sich hervorzutun: Im vergangenen November, als unmittelbar nach der Ermordung der 18-jährigen Giulia Cecchettin[8] durch ihren Freund Tausende von Frauen gegen Gewalt gegen Frauen demonstrierten, gelang es Meloni nicht, sich zum Sprachrohr dieser Bewegung zu machen. Im Gegenteil, sie wurde von der Schwester des Opfers in den Schatten gestellt, die sich zu Wort meldete[9] und das Patriarchat verurteilte. Ein Begriff, der in Italien bis dato kaum im Fernsehen gefallen war, um die Gewalt von Männern gegen Frauen zu verurteilen. Ein Wort, mit dem sich auch die Regierung (in erster Linie die Ministerin für Chancengleichheit) sehr schwertut. Deshalb besteht Meloni auch darauf, als erste weibliche Ministerpräsidentin in der Geschichte der Italienischen Republik mit „der Ministerpräsident” und nicht mit „die Ministerpräsidentin” angesprochen zu werden. Für sie ist das nicht nur eine Frage der Grammatik, sondern ein weiterer Schritt, um einem anderen Narrativ zum Durchbruch zu verhelfen. Und Meloni weiß es genau: Wer langfristig an der Macht bleiben will, der muss den Kulturkampf gewinnen.

 

Übersetzt von Katja Petrovic | Voxeurop

 

 


[2] Unione sindacale giornalisti Rai (RAI-Journalistengewerkschaft), Basisorganisation des FNSI (Nationaler Presseverband Italiens)

[3] D’Alessandro M. (2023, 11. Februar) Mazzi: "Nuovi vertici Rai? È giusto cambiare la narrazione del Paese": AGI [Mazzi: „Neue Rai-Führung? Es ist richtig, das Bild des Landes zu verändern.”

[4] Tata E. (2024, 11. März) Trovato l’accordo su Teatro di Roma: nuovo direttore generale e De Fusco direttore artistico.  Fanpage.it [Einigung am Teatro di Roma: neuer Generaldirektor und De Fusco als künstlerischer Leiter.]

[5] Turrini D. (2023, 12. September) Il giudice reintegra Lissner: ora è caos al teatro San Carlo. La sentenza: “Per nominare Fuortes il governo ha fatto un decreto contra personam” Il Fatto Quotidiano [Der Richter setzt Lissner wieder ein: Jetzt herrscht Chaos im Theater San Carlo. Das Urteil: „Um Fuortes zu ernennen, hat die Regierung ein Dekret contra personam erlassen.” ]

[6] Der Anschlag von Bologna war ein Terroranschlag auf den Bahnhof Bologna Centrale am Morgen vom 2. August 1980, bei dem 85 Menschen ums Leben kamen und über 200 verletzt wurden. Für den Anschlag wurden mehrere Mitglieder der neofaschistischen terroristischen Gruppierung Nuclei Armati Rivoluzionari (NAR) verurteilt.

[7] (2014, 9. Mai) Dell'Utri, condanna definitiva. La Cassazione conferma i 7 anni di carcere per i legami tra l'ex senatore e Cosa Nostra. RSI [Dell'Utri, endgültiges Urteil. Der Oberste Gerichtshof bestätigt die 7-jährige Haftstrafe: ehemaliger Senator wegen seinen Verbindungen zu Cosa Nostra verurteilt].

[8] (2023, 22. November) Deutschland liefert mutmaßlichen Mörder einer 22-Jährigen an Italien aus. Euronews

[9] (2023, 20. November) La lettera di Elena Cecchettin sul femminicidio di sua sorella. Il Post [Der Brief von Elena Cecchettin über den Femizid ihrer Schwester.]