Das Klima im rechten Flügel

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Die italienischen Wahlen sind abgeschlossen, und wir warten auf die neue Regierung. Welche Auswirkungen auf den Klimaschutz werden in den nächsten Wochen spürbar werden? Derzeit können wir nur Bilanz aus dem Ende des Wahlkampfs ziehen und den Ausgang der Wahlen mit den auf der Ebene der Energieversorgung und des Klimas zu erwartenden Herausforderungen in Verbindung bringen.

Windräder im Sonnenuntergang

Das Klima stellte im italienischen Wahlkampf kein zentrales Thema dar. Obwohl dies einerseits eine verpasste Gelegenheit ist, konnte andererseits auf diese Weise verhindert werden, dass die Klimapolitik einen identitären, die verschiedenen politischen Gruppierungen voneinander trennenden Charakter annimmt. Die Gewinnerpartei Fratelli d‘Italia kommt an die Regierung, ohne die Karten der von ihr geplanten Klimapolitik aufgedeckt zu haben.

Aus der Analyse der vor kurzem in Europa erfolgten Abstimmung zum Klimapaket der Parteien der neuen italienischen Mehrheit (Fratelli d‘Italia, Forza Italia und Lega) zu einigen wichtigen Themen des europäischen "Fit for 55"-Pakets geht hervor, dass noch eine gewisse Unsicherheit im Hinblick auf die Position der Rechten zur Klimapolitik besteht. Einerseits hat die Fratelli d‘Italia linientreu mit ihrer Zugehörigkeitsgruppierung, der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (ECR), im Europäischen Parlament gegen das Ziel einer 100% Umstellung auf das Elektroauto bis 2035 und gegen die Revision des ETS-Mechanismus sowie für die Bestätigung von Gas und Kernenergie in der Taxonomie gestimmt und gleichzeitig fast einstimmig im Gegensatz zur ECR auf anderen wichtigen Ebenen für das Klimapaket votiert. Die Fratelli d‘Italia stimmte in der Tat bei drei Enthaltungen mit drei Stimmen für den Text zu den erneuerbaren Energien, der darauf abzielt, die entsprechenden Ziele später zu erhöhen, und geschlossen für den Sozialfonds für das Klima, d.h. für eine Abgabe aus dem ETS-Mechanismus auf den Verbrauch fossiler Brennstoffe im Verkehr und in den Haushalten. Und schließlich enthielt sie sich angesichts einer starken Opposition der ECR bezüglich der neuen Ziele zur Steigerung der Energieeffizienz.

Ein wichtiges Signal zum Klima ließ sich wenige Wochen vor Eröffnung der Wahllokale beobachten, und zwar mit der Unterzeichnung der internationalen Erklärung des italienischen rechten Zentrums zum Klimanotstand, in der das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 betont wird, wie dies auch im europäischen Green Deal ausgeführt wird. Mit der Unterzeichnung der Erklärung unterstrich Giorgia Meloni die Bedeutung der Dekarbonisierung als Chance für das Wirtschaftswachstum und die globale Sicherheit. Dies stellt ein Signal für eine gewisse Aufmerksamkeit der Fratelli d‘Italia für das Klima dar. Sie reiht sich somit innerhalb der europäischen Rechten in den Rang der Parteien ein, die sich für Klimaschutzmaßnahmen einsetzen, wie dies beispielsweise auch für die Tories in Großbritannien zutrifft. Die Haltung der Lega, der zweiten Kraft in der neuen Regierung und gleichzeitig der ersten italienischen Partei in Europa ist im Gegensatz dazu der Klimapolitik gegenüber als feindseliger zu bewerten. Die Lega unterstützte während des Wahlkampfes nämlich Positionen, die weit entfernt von den europäischen Klimazielen liegen und forderte sogar eine Revision des Klimapakets in Europa, konnte hierfür jedoch keine ausreichende Zustimmung erhalten. Die Position von Forza Italia schließlich, die der Europäischen Volkspartei angehört, steht in weiten Bereichen im Einklang mit den Klimaschutzpositionen der Europäischen KommissionDie Klimapolitik der neuen Regierung wird sich aus der Interaktion zwischen diesen unterschiedlichen Standpunkten ergeben, wobei Fratelli d‘Italia sowohl aufgrund ihres politischen Gewichts als auch aus pragmatischen Gründen im Hinblick auf einige Klimafragen höchstwahrscheinlich eine richtungweisende Rolle spielen dürfte.

Bei der Festlegung der Klimapolitik der neuen Regierung werden einige Fragen gleichzeitig Diskussionspunkte und Prüfsteine darstellen, anhand derer sich die Klimafreundlichkeit der umgesetzten Politik messen lassen wird. Einige Punkte stehen bereits jetzt im Einklang mit der Identität der mehrheitlichen Kraft der Regierung, bei anderen sind noch Schwierigkeiten erkennbar. Es bleibt noch abzusehen, ob und wie diese Fragen in Regierungsmaßnahmen Niederschlag finden werden.

Der erste Prüfstand wird die Regierungsbildung, die Wahl der neuen Regierungsspitze sowie die Rolle des neuen Parlaments sein – insbesondere mit Blick auf die Leitung des Ministeriums für die ökologische Wende (MITE), das unter der Regierung Draghi mit der Energie beauftragt wurde, um eine Abstimmung zwischen Energiemanagement und Klimaschutzmaßnahmen zu erzielen. Die Bestätigung der Notwendigkeit einer solchen Governance stellt das erste Signal einer Klimapolitik dar, die auf einer kohärenten Vorgehensweise zwischen Energie- und Klimapolitik beruht. Die Person an der Spitze des MITE muss Kompetenz und Vorausblick unter Beweis stellen, um die Energiewende zu unterstützen, die den einzigen Weg zur Gewährleistung von Energiesicherheit und energetischer Unabhängigkeit darstellt und die von aktuellen oder vergangenen Interessenkonflikten frei sein muss. Auch die Wahl der Leitung von ENI und ENEL im Jahr 2023 wird entscheidend sein für die Fähigkeit Italiens und der Länder, in denen diese Einrichtungen tätig sind, von einer fossilen Wirtschaft auf eine saubere Wirtschaft umzusteigen. Außerdem wird das neue Parlament eine entscheidende Rolle bei der Klimagesetzgebung spielen. Prüfstein wird in diesem Zusammenhang die Straße sein, und dabei muss entschieden werden, ob es auch in Italien wie in zahlreichen anderen europäischen Ländern ein erstes Klimagesetz geben wird.

Der zweite wichtige Punkt betrifft die Entwicklung erneuerbarer Energien. Sie bieten die konkrete Möglichkeit, eine größere energetische Unabhängigkeit Italiens gegenüber dem Ausland zu erzielen und die Energierechnungen strukturell zu senken. Dieser Punkt wird entscheidend sein, wenn es darum geht, die Fähigkeit der neuen Regierung, den Entwicklungsanforderungen des Landes gerecht zu werden, unter Beweis zu stellen, indem man sich mit der Ineffizienz der Verwaltungsmaschinerie auseinandersetzt, die bislang der Entwicklung der erneuerbaren Energien im Wege stand. Die Klimaszenarien stützen sich auf genaue Entwicklungsziele der erneuerbaren Energien im Elektrobereich und dieses Ziel ist im politischen Programm der Rechten enthalten. Wird es der neuen Regierungskraft gelingen, das Problem zu lösen? Das Land dazu zu bringen, mehr als 10 GW erneuerbare Energien pro Jahr zu produzieren, ist mehr wert als viele Worte.

Ein drittes Thema ist die Frage, welche Auswirkungen der Energiewandel auf die wirtschaftliche Sicherheit der Familien und Unternehmen haben wird. Die Frage wie die Regierung den Energiekostenanstieg handelt wird von entscheidender Bedeutung sein, um ihre Fähigkeit unter Beweis zu stellen, sich mit ihren Lösungen von der Regierung Draghi abzuheben. Die Preise für Strom und Gas werden immer weniger tragbar, und eine Erhöhung der Staatsverschuldung, um die Energiepreise aufzufangen, ist keine Lösung. Die Unterstützungsmaßnahmen der vorausgehenden Regierung erfolgten ohne Einkommens- und Verbrauchsvorgaben, und es wurden keine konkreten Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz und der verschiedenen erneuerbaren Energiequellen getroffen. Die Fähigkeit, die Energiewende in den Dienst der Privatpersonen (auch zur Bekämpfung der wachsenden Energiearmut) und der Unternehmen zu stellen, entspricht der Fähigkeit, die Klimaziele in Instrumente zur Förderung der Sicherheit der Familien umzuwandeln. Dies gilt insbesondere für die weniger wohlhabenden Familien, bei denen die neue Regierung besonders hohe Unterstützung fand, sowie für die Unternehmen. Ein wichtiger Baustein dieser Politik wird die Anerkennung steuerlicher Instrumente nach dem Modell des "Superbonus", einer Prämie für die Renovierung von Gebäuden, zur Förderung der Energieeffizienz der Wohnungen sein. Es wird dabei insbesondere darum gehen, wirksame Mechanismen auf der Ebene der Ausgaben, der Effizienz und der Unterstützung der verletzlichsten Bevölkerungsgruppen zu finden, und nicht darum, den Mechanismus abzuschaffen.

Ein vierter Punkt betrifft den Schutz des Landes und die Anpassungen an den Klimawandel. Dieser Punkt findet sowohl auf örtlicher Ebene, insbesondere was die Fähigkeit einer gebietlichen Anpassung anbelangt, als auch auf nationaler Ebene Niederschlag. Dabei geht es darum, den von den klimatischen Veränderungen in Italien besonders betroffenen Sektoren, wie der Landwirtschaft und dem Tourismus, Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um sich anzupassen und die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Die Sektoren sollen sich entsprechend aus der Abhängigkeit von fossilen Energiequellen befreien und somit nicht mehr deren Preisschwankungen unterworfen sein. Dieses Schema muss dann auch auf internationaler Ebene wiederholt werden, und zwar ausgehend von der COP27 von Sharm el-Sheik im November, denn ohne einen Zugang zu wichtigen Ressourcen, um sich anzupassen und Schäden und Verluste aufzufangen, ist kein Land in Sicherheit, insbesondere keines der empfindlicheren Länder wie die Länder Afrikas. Die Folgen für ein Land wie Italien, das im Zentrum der Migrationsflüsse des Mittelmeers steht, lassen sich leicht voraussehen.

Ein fünftes Element stellt die Beziehung der neuen Regierung zur Branche der fossilen Energien dar. Ein wichtiger Teil der produzierenden Industrie unseres Landes, und dabei auch der kleinen und mittleren Unternehmen benötigt neue Ressourcen, um sich der Energiekrise zu stellen, sowie politische Strategien, die die Energiewende und die Innovation unterstützen, um aus der Krise herauszukommen. Dies würde es insbesondere ermöglichen, langfristig die Beschäftigung zu fördern und auf den internationalen Märkten wieder wettbewerbsfähig zu werden. Wird es die Energie- und Klimapolitik der neuen Regierung der fossilen Industrie überlassen, die Linien der nationalen Energiepolitik festzulegen oder wird sie in der Lage sein, eine größere Unabhängigkeit zu erzielen, um den Energiewandel in den Dienst aller Produktionsvorgaben des Landes zu stellen?

Ein letzter Punkt ist die europäische und internationale Vision Italiens zur aktiven Festlegung klimapolitischer Strategien. Das Klima war bislang ein Element der Solidität des politischen Projekts gegenüber dem Ausland. Jedes Land hat auf dem Weg zur Dekarbonisierung und der Verwaltung der Auswirkungen des Klimawandels Stärken und Schwächen. Wird die neue Regierung in der Lage sein, ehrgeizigere Ziele für die globale Sicherheit zu fordern und ein neues italienisches Produktionssystem auf den globalen Märkten voranzutreiben? Oder wird sie eine defensive Haltung gegenüber dem Status Quo einnehmen und dabei aus den Augen verlieren, wie sehr sich die nationalen Interessen in der Ära des Klimawandels verändern? Wird sie in der Lage sein, die finanziellen Ressourcen bereitzustellen, die für den Übergang und die Sicherheit aller Länder notwendig sind und dabei unter anderem dazu beitragen, die Regeln der globalen Architektur neu festzulegen, um sich auch weiteren Krisen stellen zu können?