Für die nächsten Wochen hat unser Partner ECCO in Italien die Veröffentlichung einiger Beiträge vorgesehen, die seiner Meinung nach für jedes politische Parteiprogramm im Bereich des Klimaschutzes von entscheidender Bedeutung sind. Die politische Herausforderung, die das Klima darstellt, ist sehr komplex und erfordert kein Schwarz-Weiß-Denken sondern die Fähigkeit, dank eines kohärenten und durchführbaren politischen Projekts, das sich mit allen hiermit zusammenhängenden Problemen auseinandersetzt, einen Konsens zu erzielen und so eine Zukunft zu gewährleisten, die den wissenschaftlichen Fakten Rechnung trägt. Dieser Artikel bietet erste Überlegungen und eine Vorschau auf die Beiträge, die ECCO während des Sommerwahlkampfs veröffentlichen werden. Einige werden wir im Rahmen unseres Dossiers zu den vorgezogenen Parlamentswahlen ins Deutsche übersetzen.
Angesichts der für den 25. September 2022 anstehenden Parlamentswahlen müssen alle politischen Kräfte eine Klimaschutzpolitik auf den Tisch legen. Viele Umfragen – darunter auch eine von ECCO gemeinsam mit Ipsos und More in Common durchgeführte Umfrage – bieten Hinweise darauf, dass sich die italienischen Wähler unabhängig von ihren jeweiligen politischen Überzeugungen Antworten und Leitlinien im Bereich der ökologischen Wende und des Klimawandels wünschen.
Es lässt sich feststellen, dass alle etwas über den Klimawandel zu sagen haben und wie wir wissen, findet man in der Politik alles, von Binsenweisheiten bis hin zu der den sozialen Medien eigenen Ästhetik. Klimapolitik darf sich nicht mehr mit abstrakten Äußerungen begnügen, sondern muss auf konkreten Zielen und Daten basieren, um letztendlich eine Verringerung der CO2-Emissionen zur gewährleisten. Zu diesen Zielen zählen beispielsweise die auf europäischer Ebene vereinbarte Verringerung der Netto-Emissionen um mindestens 55% bis 2030 gegenüber 1990. Italien hat bislang nur eine Verringerung von 26,7% [1] erreicht, verfügt aber noch über kein nationales Ziel im Hinblick auf die Beschränkung der globalen Erderwärmung auf 1,5 Grad, die mit den entsprechenden europäischen und internationalen Zielen im Einklang steht. Die letzten Regierungen haben versprochen, den Anteil der erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung bis 2030 auf 70-80% zu erhöhen und bei der G7-Sitzung vom Mai hat sich Italien verpflichtet, den Rückstand bei der Dekarbonisierung des Energiebereichs bis 2035 aufzuholen. Doch derzeit liegt der Anteil der erneuerbaren Energien unverändert bei 35%.
Diese Wahl ist zudem von der Erwartung der Gesellschaft an die Parteien geprägt. Diese Erwartung ist von einer tiefgreifenderen und politischeren Natur als in der Vergangenheit. Und wenn es sich dabei auch nicht um die Erwartung handelt, in der Lage zu sein, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, um unsere Haut zu retten, so erwarten die Wähler zweifellos eine Antwort auf wichtige soziale und wirtschaftliche Fragen, die in enger Verbindung mit der Klimaproblematik stehen.
Die Liste ist lang. Gaspreiskrise und Energiepolitik; Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und Arbeitsmarkt; Einkommensnotstand; welches Auto kaufen; Umsetzung des Recovery Plan; Beziehungen zu Europa und internationale Zusammenarbeit; Staatsverschuldung und Stabilitätspakt, und letztendlich und gleichzeitig bereichsübergreifend die durch die Klimakatastrophen entstehenden immensen Kosten, von der Dürre bis hin zum Schmelzen des Marmolata-Gletschers.
Je mehr man sich darüber einig ist, dass klimaschädliche Emissionen verringert werden müssen, desto mehr wird deutlich, wie die hierzu notwendigen Veränderungen eine Vielzahl von wirtschaftlichen und sozialen Bereichen beeinflussen werden, die man auf den ersten Blick nicht so leicht mit dem Klima in den Zusammenhang bringt wie sommerliche Schwüle oder Bäume in Parks. So wird die Liste um Bereiche wie Bildung, Tourismus, Fischerei, Landwirtschaft, Digitalisierung und Steuerwesen, erweitert.
Die Alarmsignale sind mehr als eindeutig. Es versteht sich für alle von selbst, dass man einen umfassenden und kohärenten, kurz- und langfristig angelegten Plan benötigt, um den notwendigen Wandel auf Bürger- und Unternehmensebene durchzusetzen. Eine auf Slogans und isolierten, inkohärenten Aktionen oder schlimmer noch auf Greenwashing basierende Politik birgt die Gefahr, die Augen der Gesellschaft vor dem Klimanotstand zu verschließen und so unweigerlich weitere, immer schwerere Krisen auszulösen.
Wenn die Umfragen einerseits zeigen, dass sich alle der Schwere der Auswirkungen des Klimawandels bewusst sind, was wiederum breiten Raum für politischen Konsens für alle diejenigen ermöglicht, die sich für das Klima einsetzen wollen, so ist doch gleichzeitig zu beobachten, dass das wichtigste Anliegen der Wähler dennoch der Anstieg der Lebenshaltungskosten ist: Hohe Energiekosten und nicht Emissionen, Arbeit und nicht das E-Auto. Diese Anliegen zeigen sehr eindeutig die Verästelungen der Klimaprobleme sowie die Tatsache, dass es keine Lösungen für hohe Energiekosten ohne eine Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energiequellen und insbesondere von Gas, einer entscheidenden Ursache der zahlreichen aktuellen Krisen, gibt; ohne ein Automobilprogramm bzw. ohne ein Programm für die gesamte Industrie ist es nicht möglich, in Zukunft Beschäftigung zu gewährleisten. Das Klima spielt bei allen diesen Herausforderungen immer und bereichsübergreifend mit. Die Lösungen können nur politischer Natur sein.
Wer denkt daran?
Vor dem Hintergrund der anstehenden Wahlen: Welches Klimaprogramm bietet die Politik?
Es lassen sich zwei zumindest theoretische Makropositionen beschreiben. In Wirklichkeit musste oder wollte die italienische Politik nie zum Klima Stellung nehmen, was nicht gerade zur Transparenz der verschiedenen Sichtweisen beitrug.
Laut ersterer gilt es, „die Dekarbonisierung langsam anzugehen, weil diese sonst in einem Blutbad zu enden droht“. Laut zweiterer sollte man „das Problem entschieden anpacken, da die Dekarbonisierung eine Chance darstellt“. Dazwischen gibt es zahlreiche unterschiedliche Nuancen und Strategien: dirigistische, technokratische, liberale, paternalistische, skeptische Ansätze, Befürworter der Nutzung der Sternen-Energie und viele mehr.
Werden sich diese unterschiedlichen Positionen in einem Programm niederschlagen? Wird ein solches Programm eine Strategie beinhalten, die angesichts der aktuellen Situation wirksam und überzeugend sowie faktenorientiert ist und nicht auf Fantasievorstellungen beruht, die nicht auf Eigeninteressen basiert und mit den internationalen und wissenschaftlichen Zielvorgaben übereinstimmt, d.h. den durchschnittlichen globalen Temperaturanstieg von 1,5 Grad nicht zu übersteigen?
Die Arbeiten von ECCO haben eine Reihe bereichsübergreifender Ansätze zum Klimaschutz herausgestellt, denen sich die Politik nicht entziehen kann, wenn sie den ökologischen Wandel auf für alle nachhaltige Weise vollziehen möchte. In den nächsten Wochen werden wir unsere Beiträge zu diesen Themen veröffentlichen:
Energie und Russlandkrise
- Gas: Vom Notstand zum Wandel. Mögliche Strategien zum Umgang mit der Russlandkrise, zur Gewährleistung der Energieversorgung während der Übergangsperiode und zum Erreichen der Klimaziele? Gas ist mit ca. 50% der CO2-Emissionen Italiens die wichtigste Quelle klimaschädlicher Emissionen; der Stromsektor verbraucht ca. 30% der Gasnachfrage und der Gaspreis liegt seit September 2021 bei mehr als dem Fünffachen des Durchschnitts der letzten Jahre. Was bedeutet die Aussage „Gas ist ein Übergangsbrennstoff“, innerhalb welcher Fristen, in welchen Mengen und für welche Branche?
- Sind Energieeinsparungen eine kollektive Maßnahme zur Verringerung der Kosten und Importe oder eine Bedrohung für das BIP und ein unerreichbares Ziel, weil sie die individuellen Freiheiten verletzen? Werden in der Krise zunächst Industriebetriebe abgeschaltet oder gilt es zunächst, warme Pullover anzuziehen?
- Bilden die erneuerbaren Energien eine ergänzende Maßnahme oder einen Grundpfeiler für den Energiewandel? Wie lassen sich die jährlichen Entwicklungsziele für erneuerbare Energien und die hierfür notwendigen Basistechnologien wie Speicher und Netzwerke quantifizieren und wie können diese erreicht werden? Wie lassen sich die Hindernisse auf der Ebene der Zulassungsverfahren und der Marktgestaltung überwinden, damit die Zielvorgaben für 2030 und 2035 erreicht werden? Oder werden diese nicht erreicht?
- Effizienz. Der Grundsatz „Energy Efficiency First“ (Effizienzgrundsatz) bildet den Sockel der Energie- und Klimapolitik der EU, doch bei der Debatte zur Diversifizierung und Abkehr vom russischen Gas hat die ausscheidende Regierung den Effizienzbeitrag nie quantifiziert. Italien bringt seit Jahren auf internationaler Ebene maßgebliche Effizienzstrategien wie Energieeffizienztitel und Öko- und Superboni zur Umsetzung. Sollten diese beibehalten, aufgehoben oder neu überarbeitet werden? Welches Instrument eignet sich zur Förderung der Energieeffizienz in öffentlichen Gebäuden?
- Begleitung der Familien bei der Gaskrise und dem Energiewandel. Die Regierung um Mario Draghi gab einer Politik der Anreize und der undifferenzierten Hilfen für die Haushalte, unabhängig von Einkommen oder von der Höhe des Verbrauchs den Vorzug; eine Ausnahme hierzu bildete beispielsweise der Energiebonus. Die tatsächlichen Anstiege der Energierechnungen werden in den kommenden Monaten spürbar werden. Haben es die Familien schwer, ihre Energierechnungen zu bezahlen, weil Energie teuer ist oder weil die Familien arm sind?
- Sind Unterstützungsmaßnahmen wie der Autobonus und allgemeine Beihilfen dazu geeignet sein, die Familien beim Energiewandel zu begleiten oder stellen sie nicht selektive Instrumente zur Förderung der Nachfrage und somit des Verbrauchs dar? Wie lassen sich alle Akteure für den Energiewandel qualifizieren?
Industrie und Arbeit
- Ist die Dekarbonisierung eine Chance für Wachstum und Innovation, um neue Investitionen anzuregen und die staatlichen Hilfen und Schuldenregelungen neu festzulegen oder stellt sie eine Bedrohung dar, die in der Vergangenheit getätigte Investitionen in Rauch auflöst und unser Land zur Verarmung führt?
- Wie können wir unsere Position in der verarbeitenden Industrie verteidigen – an zweiter Stelle in Europa und an siebter Stelle im weltweiten Vergleich - angesichts der durch den ökologischen Wandel ausgelösten Veränderungen bei den Produktionsprozessen, auf der Ebene der Wertekette und bei der weltweiten Produktnachfrage? Wir benötigen eine Industriestrategie, aber welche und welche Mittel sind notwendig, um sie umzusetzen? Wir erhalten die Produktion im Rohstahlsektor aufrecht, doch wie können wir unser industrielles Know-how in den Sektoren Kunststoff und Chemie in den Dienst der Dekarbonisierungsziele setzen?
- Wie kann man Menschen unterstützen, die vielleicht ihre Arbeit verlieren und wie lassen sich Arbeitnehmer und Arbeitssuchende absichern, wenn man bei der Energiewende hinten an bleibt und unsere Wirtschaft so Investitionen und Chancen verliert?
- Welche Strategie für die KMU? Welche Mittel stehen zur Verfügung, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und Risiken wie die Energiekosten und die Klimaauswirkungen zu verwalten? Welche Instrumente bieten sich an, um den Zugang zu Krediten für notwendige Innovationen zu gewährleisten? Ist eine europäische Taxonomie, die grünes Licht für Gas und Atomenergie gibt, in der Lage, die Prozesse der Green Economy zu finanzieren oder benötigen die italienischen KMU andere Maßnahmen?
- Sprechen wir von Kreislaufwirtschaft und Recycling oder doch eher von Verbrennungsanlagen? Welchen Lösungen zur Müllentsorgung ist der Vorzug einzuräumen? Die Abfälle verbrennen und daraus Energie gewinnen oder sie als Ressourcen betrachten, aus denen man neue Rohstoffe herstellen kann und so unsere Resilienz gegenüber der Importabhängigkeit erhöhen?
Verkehr
- Welches Transportsystem trägt zur Minderung der CO2-Emissionen bei? Das gleiche wie jetzt, bei dem in Italien 676 Fahrzeuge auf tausend Einwohner entfallen? Im Vergleich dazu liegt der europäische Durchschnitt bei 560 Fahrzeugen (567 in Frankreich, 580 in Deutschland). Oder werden wir weniger Fahrzeuge haben? Sollen wir Biokraftstoffe anstelle von Benzin verwenden? Woher werden die Biokraftstoffe kommen, werden sie nachhaltig sein? Werden wir auf das E-Auto setzen? Wie werden wir es finanzieren und wo werden wir es aufladen? Aus welchen Ländern werden wir die für die Herstellung der Batterien und Motoren notwendigen Rohstoffe importieren? Wie werden wir sie recyceln? Werden wir anderen Ländern das Leadership bei den Innovationen überlassen oder möchten wir eine Rolle in der Zukunft spielen? Oder gibt es mittlerweile keine Zukunft mehr?
- Welche Rolle spielen die öffentlichen Transportmittel in der Mobilitätsgleichung, welche Bedeutung kommt der Städteplanung und der Koordinationsfähigkeit zwischen Staat und Kommunen zu? Ist Hochgeschwindigkeit die einzige Lösung oder benötigen wir ein wirksames intermodales System für Pendler? Welche politischen Strategien im Hinblick auf die Kosten der öffentlichen Transportmittel, wie findet man die notwendigen Ressourcen, um unsere Städte zu verwandeln? Wie sollen Waren transportiert werden, immer noch nur auf Rädern?
Finanzen
- Banken für das Klima. Spielen die nationalen Kreditinstitute CPD, SACE und Invitalia eine Rolle für den Energiewandel? Müssen Sie einer Roadmap folgen, um nach dem Beispiel der Europäischen Zentralbank Banken für das Klima zu werden oder gibt es andere Möglichkeiten? Welche Instrumente stehen zur Verfügung, um private Investitionen zu fördern, welche Rolle spielen die Banken bei der Bewältigung der Krise, welche Regeln sind zu beachten, um zukünftige Ressourcen nicht in Branchen zu immobilisieren, die mit der Dekarbonisierung nicht vereinbar sind?
Anpassungen an den Klimawandel
- Der Klimawandel ist im vollen Gange. Der eigentlich seit 2017 verbindliche nationale Anpassungsplan wurde nie verabschiedet. Ist ein solcher Plan nützlich? Auf welchen Grundsätzen muss die Anpassung beruhen? Welche Branchen gelten als vorrangig und wie lassen sich die Ressourcen zwischen Investitionen zur Erhöhung der Resilienz und Entschädigungen für entstandene Schäden verteilen?
Öffentliche Verwaltung
- Die öffentliche Verwaltung ist auf allen Ebenen ein wichtiger Akteur zur Umsetzung der staatlichen Politik. Eine Verwaltung ohne geeignete Strukturen oder klare Ziel- und Aufgabenvorgaben ist nicht in der Lage, eine komplexe Krise wie die Klimakrise zu verwalten. Welche Vorschläge bezüglich der Zulassung erneuerbarer Energiequellen liegen auf dem Tisch, angefangen mit der Beziehung zwischen Staat und Regionen?
- Welche Ressourcen sind dem Ministerium für den Ökologischen Übergang, dem Wirtschafts- und Finanzministerium, dem Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und dem Außenministerium im Hinblick auf die Ausarbeitung wirksamer politischer Strategien zum Klima in Italien und in unseren diplomatischen Beziehungen zur Verfügung zu stellen?
- Welche Instrumente sind notwendig, um die Unabhängigkeit des Staates von Großunternehmen zu gewährleisten, an denen der Staat häufig Beteiligungen hält?
Klimagesetz
- Immer mehr europäische Länder, einschließlich der Europäischen Union selbst, haben sich mit einer rechtlichen Grundlage ausgestattet, die es ihnen ermöglicht, die Ziele zur Klimaneutralität und einer gerechten ökologischen Wende zu erreichen. Wird Italien ein Instrument zur Gewährleistung der Kohärenz und Kontinuität seiner politischen Strategien sowie zu deren Umsetzung auf allen Ebenen der Subsidiarität verabschieden? Doch werden hierdurch die Institutionen nicht schwerfälliger und eingebundener? Werden die Regelwerke eine regelmäßige Kontrolle der Wirksamkeit der politischen Strategien im Hinblick auf die Zielvorgaben vorsehen oder wird allen Akteuren freie Hand gewährt? Wird ein überparteilicher Wissenschaftsrat zur Bewertung sowie zur Vorlage wirksamer politischer Strategien eingerichtet? Wird es Beteiligungsinstrumente geben oder wird die Gesellschaft ausgeschlossen?
Europa
- Das Paket Fit for 55. Welche Unterstützung wird Italien in Europa bieten? Die Vorgaben der Kommission befolgen, für die das Paket ein kohärentes Ganzes darstellt, das nur durch den Vorschlag von Strategien und Alternativmaßnahmen abgeändert werden kann, die die gleichen emissionsverringernden Auswirkungen haben? Oder verzichten, und wenn ja auf welche Teile? Wie kann man in diesem Fall das Erreichen der Klimaziele bis 2030 gewährleisten? Oder sollte man sie einfach außer Acht lassen? Oder sollte man sogar ehrgeizigere, wissenschaftsorientierte Ziele setzen, um Italien eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit in Europa sowie auf internationaler Ebene zu gewähren?
- Wie wirksam ist der NRRP im Hinblick auf die Verfolgung der Klimaziele? Müssen/können vor dem Hintergrund der Gaskrise einige Kapitel und Ziele neu überarbeitet werden? Der NRRP ist ein gemeinschaftliches Schuldeninstrument, ist das eine zukunftsorientierte Sichtweise Europas? Ist das Programm Next Generation EU, mit dem der NRRP finanziert wird, ein Instrument, das zur Finanzierung des Übergangs aufrechterhalten werden sollte? Möchte Italien hieran im Vergleich mit Europa arbeiten? Wieviel Souveränität ist vor dem Hintergrund einer gemeinschaftlichen Schuld möglich?
- Welche nationalen Instanzen sollen in Europa mit dem Klima beauftragt werden und wie sollen diese arbeiten? Soll man versuchen, bei der Entwicklung der Klimagesetzgebung in Europa vorausschauend zu denken, um dazu beizutragen, dass diese mit den Vorgaben unseres Landes so gut wie möglich vereinbar sind, oder soll man versuchen, die Einführung bestimmter politischer Strategien und Ziele zu verzögern, denen gegenüber Italien die größten Schwachstellen aufweist? Welche Auswirkungen hat die eine oder andere Alternative und welche Gegenmaßnahmen bieten sich an, um die negativen Auswirkungen für unser Land so gering wie möglich zu halten?
- Welche Position muss Italien gegenüber der öffentlichen Verschuldung in Europa einnehmen und für welchen Stabilitätspakt wollen wir uns entscheiden? Welchen Stellenwert nimmt die Finanzierung des ökologischen Wandels in dieser Debatte ein? Die europäische Union schätzt die für den ökologischen Wandel notwendigen öffentlichen Ausgaben auf 270 Milliarden Euro pro Jahr. Für Italien können wir ca. 30-40 Milliarden Euro pro Jahr veranschlagen; hierzu kommt wahrscheinlich noch eine weitere Komponente im Zusammenhang mit der Verwaltung der sozialen Auswirkungen hinzu. Ist das eine gute Verschuldung, die im Inneren des Stabilitätspakts zulässig ist und für die ein spezifischer Vergleich notwendig ist? Oder wird der Stabilitätspakt im Hinblick auf eine höhere Verschuldung überwunden, ohne dass zu hohe Auflagen gestellt werden, weil diese der Souveränität der Länder schaden würden?
Außenpolitik
- Welche Rolle wird das Klima bei der Festlegung der Außenpolitik spielen? Wird es einen Klimasonderbeauftragten auf höchster Ebene geben wie in Deutschland, in den USA und in Großbritannien, oder sollte man sich lieber stillhalten? Werden der diplomatische Corps und die Institutionen mit neuem Personal ausgestattet, um der Herausforderung gewachsen zu sein? Wird das Klima bei der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, bei der Handels- und Entwicklungspolitik eine Rolle spielen oder wird es davon getrennt behandelt?
- Wird die Sicherheit der Energieversorgung weiterhin von den Zielen zur Minderung der CO2-Emissionen abgekoppelt betrachtet oder wird es zu einer Abstimmung mit den Klimazielen kommen? Wird Italien sich für teure neue Versorgungsverträge und neue fossile Infrastrukturen entscheiden oder wird es seine Energiestrategie neu überdenken, um selbständiger und weniger erpressbar zu werden?
- Wird Italien gegenüber dem Mittelmeerraum und Afrika versuchen, neue Partnerschaften abzuschließen, die den Übergang von Gas und Erdöl auf erneuerbare Energien und den Kauf kritischer Rohstoffe fördern oder wird es seine Förderstrategien und seine Abhängigkeit von fossilen Energieträgern weiterführen?
- Wie sieht die Agenda Italiens während seines Vorsitzes des G7 im Jahr 2024 aus? Für welche geopolitischen Vorzüge wird sich das Land innerhalb des G20 entscheiden? Wird Italien auf die Zusammenarbeit mit China verzichten oder wird es eine Partnerschaft anstreben, ohne auf seine eigenen Werte und Forderungen zu verzichten?
- Welche Rolle wird Italien auf der Ebene der internationalen Zusammenarbeit und der Klimagerechtigkeit spielen? Wird sich das Land auf seinen ausgewogenen Finanzierungsbeitrag für das Klima festlegen, oder wird es die internationalen Ausgaben kürzen? Wird es sich auf eine Reform der globalen Finanzierungsarchitektur festlegen oder wird es sich dazu entscheiden, nicht zu intervenieren, um das Nord-/Süd-Gefälle im Hinblick auf den Zugang zu Finanzierungsmitteln auszugleichen?
[1] Die Emissionen von CO2-Äquivalenten beliefen sich im Jahr 1990 in Italien auf 520 Mt; im Jahr 2020 wurden sie auf 381 Mt CO2-Äquivalente gesenkt. Daten ISPRA (2022) “Italian Greenhouse Gas Inventory 1990 – 2020”. Hiervon ausgeschlossen sind LULUCF, die aus der Landnutzung entstandenen Treibhausgas-Emissionen und Absorptionen.